Rosenheim – Vor knapp 22 Jahren, im Juni 1996, gaben vier Musiker im „Le Pirate“ ihr erstes Konzert, hatten aber noch keinen Namen. Vorher hatten sie gemeinsam Pizza gegessen, und zwar eine Pizza Quattro Stagioni. Jetzt war der Name gefunden: Sie nannten sich Quadro Nuevo. Ist zwar nicht ganz logisch, wurde aber wirksam, denn unter diesem Namen machte die Gruppe eine Weltkarriere. Mulo Francel, der Saxofonist der Gruppe, erinnerte an diese Namensfindungsgeschichte beim Auftritt wieder im „Le Pirate“ und versprach, dass dies bestimmt nicht der letzte sein werde.
„Ragazzo-Musik“ machten sie, sagte Mulo Francel, also Jungens-Musik. Auf den empörten Zuruf einer Zuhörerin schob Mulo Francel schnell hinterher, dass die Inspiration natürlich immer weiblich sei… Ob nun Ragazzo- oder Mädchen-Musik: es war einfach lebenspralle, sinnliche, tief inspirierte, rhythmisch zündende, ja lodernde, und dann wiederum meditativ berührende Welt-Musik.
Neben, vor allem aber mit der Stammbesetzung (neben Mulo auch D.D. Lowka am Bass und Percussion und Andreas Hinterseher am Akkordeon und Bandoneon) spielte der Jazzpianist Chris Gall. Das tat der Gruppe sehr gut. Gall fügte sich nicht nur organisch ein, als wäre er schon immer da, mit seinen virtuos schnellen Läufen und hart gehämmerten Rhythmen gibt er der Gruppe enorm viel musikalische Energie und ein zusätzliches Farbenspektrum. Mal schien er ins Klavier hineinzukriechen, mal sich hineinzuwerfen, immer voll spielerischer Leidenschaft.
Vom Tango infiziert
Vom Tango infiziert ist Quadro Nuevo noch immer: „Garcías Tango“, eine Hommage an den Commissario García, ist ein etwas wild flackernder und ein bisschen mysteriöser Kriminal-Tango, er und der folgende Tango aus Uruguay wurde von Andreas Hinterseher natürlich mit dem Bandoneon gespielt, und dies mit geradezu besessener Leidenschaft. Der Tango „Buenos Aires Taxi Drive“ ist allen Taxifahrern von Buenos Aires gewidmet, von denen die Musiker viel über den Tango gelernt haben. Es ist ein schneller, ja hektischer Tango, der die Weltstadtatmosphäre, den mörderischen Verkehr auf der 16-spurigen „Avenida 9 de juli“ und die zuckenden Lichtreflexe dieser rastlosen Stadt widerspiegelt, die nie zu schlafen scheint.
Arabische aufpeitschende Klänge stammten von „Cairo Steps“, den neuen Freunden aus Kairo, mit denen „Quadro Nuevo“ schon auf große Tournee gegangen war, D.D. Lowka klemmte seine Riesengestalt hinter die kleinen Trommeln, vor allem die ägyptische Darbuka. Orientalisch begann und endete dann unmerklich in einen melancholisch mürben Walzer ein Stück mit dem Titel „Durchs wilde Kurdistan“, also inspiriert von Karl May, und gewidmet war es vom Komponisten Hinterseher dem kleinen tapferen Helden Hadschi Halef Omar: also doch Ragazzo-Musik…
Die schönsten Momente gab’s, wenn Chris Gall am Piano zauberte, so sein „York’s Guitar“, eine sinnende und träumende Zwiesprache des Klaviers mit der gehauchten Klarinette. Dann wieder schuf Gall mit samtenen Arpeggien eine erlesen märchenhafte Stimmung. Am schönsten war aber dann das Schlussstück, betitelt „Ikarus‘ Dream“, das auf der griechischen Insel Samos entstanden ist: Es beginnt leis basszupfend und träumt sich dann weiter in die weite Bläue der Ägäis.
Als Zugaben servierten die Musiker die „Reise nach Batumi“, von dort am Schwarzen Meer ging‘s dann noch nach Italien mit Lucio Dalla, und dessen Stück „Caruso“ mit einem sensibel singenden Saxofon. Hochbeglückt gingen die vorher immer wieder aufjubelnden Zuhörer durch die Schneenacht nach Hause und freuten sich schon auf den nächsten Auftritt von Quadro Nuevo.