Inselkonzert

Vier Violen im Rampenlicht

von Redaktion

Hariolf Schlichtig begeisterte mit drei Bratschen-Meisterschülern im Augustiner-Chorherrenstift

Chiemsee – „Viola – Klasse!“. Der Konzerttitel des vierten Kammermusikkonzerts im Augustiner-Chorherrenstift auf Herrenchiemsee hätte inhaltlich das Hörvergnügen, das den Besuchern geboten wurde nicht besser treffen können. Klasse Idee. Klasse Instrument. Klasse Musiker, an traumhaft schönem Ort, bei erstklassiger Akustik.

Ein ganzes Konzertprogramm, nur mit Bratschen füllen? Geht das? Der Gedanke, ein reines Bratschen-Konzert zu gestalten, kam der Organisatorin der Inselkonzerte auf Herrenchiemsee, Dr. Claudia Trübsbach, als sie zufällig dem international renommierten Viola-Professor Hariolf Schlichtig am Chiemseestrand begegnete.

Professor schwärmt von seinen Schülern

Schlichtig schwärmte von der Arbeit mit seinen jungen Meisterschülern und seiner Lehrtätigkeit als Professor an der Münchner Musikhochschule, erzählte Trübsbach den Musikliebhabern zu Konzertbeginn. Damit hatte er ihre Neugierde geweckt. Eine hervorragende Konzert-Idee, deren klangvolle Früchte eine restlos begeisterte Zuhörerschaft genießen durfte.

Schlichtigs Ansinnen, die Bratsche als oft unbeachtetes Instrument aus dem Schattendasein auch als Soloinstrument ins Rampenlicht zu rücken, gelang voll und ganz. Der warme und satte Klang des wunderschönen Streichinstruments kam in Werken ungarischer, britischer und deutscher Komponisten, die zum Teil für Bratsche umarrangiert waren, zur vollen Entfaltung und ließ die „große und kleine Verwandtschaft“ des Instruments in keinem Moment vermissen.

Das „Abenteuer“, wie Schlichtig selbst das Konzert bezeichnete, bestritt er mit seinen drei hochbegabten Meisterschülern Hiyoli Togawa, Diyang Mei und Mari Fukazawa. Wer also wagt, gewinnt und wer so virtuos „bratscht“ und mit so viel Musizierfreude intoniert, erst recht.

Der erste Programmteil war mit kurzen Stücken aus dem 20. Jahrhundert ausgefüllt, wobei zwei Werke von Georg Philipp Telemann eine Brücke aus dem Spätbarock zur Neuen Musik darstellten. Sein viersätziges Konzert in C-Dur eröffnete das Bratschenkonzert, tauchte die Zuhörer in ein Gefühl des „Angekommen-seins“ und war zugleich Appetitanreger für das, was kommen sollte. Von dem ungarischen Komponisten György Ligeti standen drei Werke im Programm: Drei Solo-Sonaten, „Loop“, im Geiste des Jazz komponiert, „Fascar“ und „Chaconne chromatique“.

Die drei Soli hörten sich fast wie spannende musikalische Kurzgeschichten an, die den Hörer durch ihre Themenvielfalt mit vielen rhythmischen Wendungen und ihren zumeist dissonanten Anklängen in ein spannendes Hörabenteuer fesselten. Drei Werke von Bela Bartok aus 44 Duos für zwei Violinen unterstrichen die eingangs gestellte Behauptung, dass die Bratsche zu Unrecht im Schatten der Violine steht, denn die an Variationsreichtum kaum zu überbietenden Duos füllten die Kompositionen „auf bratschisch“ mit äußerst angenehmem Wohlklang. Mit drei Soli aus „Games, Signs und Messages“ war von Schlichtig der ungarische Komponist György Kurtag als „Großmeister der kleinen Form“ entlarvt – ein weiterer Ohrenschmaus mit soghafter Wirkung.

Instrument aus

tiefster Seele erfasst

Im Zweiten Konzertteil lernten die Zuhörer die beiden britischen Spätromantiker Frank Bridge und York Bowen kennen und schätzen. Wie Schlichtig betonte, hätten beide das Wesen der Bratsche aus tiefster Seele erfasst, sodass es nicht wunderte, dass die vier Bratschisten seine Werke mit einem Höchstmaß an Demut zu interpretieren imstande waren, wobei auch das zuvor gehörte Duo für zwei Violen Nr. 3 in F-Dur von Alessandro Rolla bestens ankam.

Mit stürmischem Applaus bedankten sich die Konzertbesucher für ein nicht alltägliches Konzerterlebnis. Damit wäre die Frage, ob ein reines Bratschen-Konzert möglich sei, beantwortet: Man kann – und wie! Bravo!

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