Bruckmühl – Auf der Internet-Seite des Bezirks Oberbayern (www.bezirk-oberbayern.de) lädt das Volksmusikarchiv passend zur „fünften Jahreszeit“ mit historischen Instrumentalstücken und „komische Szenen“ zu einer Reise in die Geschichte des Münchener Oktoberfestes ein. Alle digitalisierten Klänge stammen aus dem umfangreichen Schellackplattenbestand des Volksmusikarchivs, der seit den 1970er-Jahren kontinuierlich ausgebaut wird.
Derzeit sind etwa 27000 Schellackplatten registriert, zahlreiche weitere warten noch auf ihre Archivierung. Im Zuge der Bestandserschließung und Katalogisierung der einzelnen Platten werden diese auf ihre Qualität hin beurteilt und datiert (bei Schellackplatten oft kein leichtes Unterfangen) – gegebenenfalls erfolgt dann nach bisweilen nötigen restauratorischen Maßnahmen die Digitalisierung.
Das „Digitale Archiv“ des Volksmusikarchives umfasst mittlerweile an die 5000 Schellack-Titel, von denen für gewöhnlich ein Titel von etwa zwei bis drei Minuten Länge auf einer Plattenseite war.
Bei der Digitalisierung offenbart schließlich jede Platte, was in ihr „steckt“: Schellackplatten wurden als Massenmedium ab der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in akustisch-mechanischer Weise erstellt. Deshalb ist eine akustische Tonaufnahme im Gegensatz zu einer elektrischen Tonaufnahme auch auf einer fabrikneuen Schellackplatte nicht rauschfrei.
Das Prozedere der Tonaufnahme sah vor, dass die Interpreten in einen Schalltrichter spielten oder sprachen, welcher zu einer Membran führte. Diese war verbunden mit einem „Schneidstichel“, der die Aufnahme in eine Wachsmatritze eingravierte. Die Vorlage wurde in der Fabrik schließlich auf die Schellackplatten übertragen. Oft wurde hier die sogenannte Seitenschrift, bisweilen jedoch auch Tiefenschrift verwendet.
Beim Abspielen der Platten – als normales Gebrauchsgut ihrer Zeit zum Tonkonsum mittels Grammophon bestimmt – wurden dann meist Stahlnadeln verwendet, welche aufgrund ihrer Materialhärte Beschädigungen an den filigranen Rillen mit den Toninformationen bewirkten. So erhält man bei jeder Digitalisierung ein individuelles Klangbild, wie sich auch an den auf www.bezirk-oberbayern.de präsentierten sechs Tonbeispielen mit Veröffentlichungsdaten von 1906 bis 1927 zeigt.
Auch die Photographie von 1913, die das Stadtarchiv Rosenheim dankenswerterweise aus der Sammlung des Rosenheimer humoristischen Originals Michl Kaempfel (1870 bis 1944) zur Verfügung gestellt hat, nimmt den Betrachter mit auf eine Zeitreise ins frühe 20. Jahrhundert. So finden wir unter den historischen Klängen unter anderem eine humoristische Szene, die lustige Vorgänge und Witze am Rande des – bis zum Zweiten Weltkrieg jährlich stattfindenden – Pferderennens thematisiert und mit einem zeitgenössisch sehr populären Liedrefrain: „Drah ma‘ um und drah ma‘ auf, es liegt nix dro‘, weil ma’s Geld auf dera Welt“ schließt. Neben einem „Oktoberfest-Ländler“, der die für München signifikante, ehemals aus Wien kommende Melodie „Solang der alte Peter“ aufgreift und einem Potpourri mit dem unvermeidlichen bierseligen „Prosit der Gemütlichkeit“ – das auf den in Bremen geborenen Komponisten Georg Kunoth (1863 bis 1927) zurückgeht – hat das Volksmusikarchiv auch eine Schießbudenszene, die durch ihren derben Wortwitz besticht, ausgewählt.