Aschau – Dem Cello, in einigen deutschen Bundesländern 2018 zum Instrument des Jahres gekürt, war die Meisterklasse in Sachrang unter Leitung von Professor Wolfgang Boettcher, dem Doyen unter den deutschen Cellisten, gewidmet. Es war eine musikalische Woche voller Intensität, in der der inzwischen 83-jährige Pädagoge ermutigte und technische Genauigkeit vermittelte und die in einem Konzert in der Sachranger Pfarrkirche St. Michael mit einem anspruchsvollen Programm von der Klassik bis zur Moderne ihren „spannend-fantastischen“ Abschluss fand.
Mit dieser Umschreibung hatte Professor Hansjörg Schellenberger, Leiter des Musik-Forums, in seiner Begrüßung nicht untertrieben, spielten die Cellisten doch allesamt mit einer Wucht an Spielfreude, einer Tonsprache und einer Interpretationskraft auf, die man eher bei älteren, erfahreneren Musikern hätte vermuten können als bei jungen Studenten. Und dennoch wirkten die Cellisten nahbar, oftmals mit einem Lächeln auf dem Gesicht und offensichtlichem Spaß am gemeinsamen Musizieren.
Lukas Barmann, Carolin Wieler und Jasmin Blomenkamp eröffneten das Konzert mit der Triosonate in B-Dur für drei Celli von Benedetto Marcello (1686 bis 1739) – barocke-virtuose Leichtigkeit in Reinkultur. Die „Sonate a deux violoncelle“ von Jean Barriere (1707 bis 1747) boten Carolin Eychmüller und Rafael Menges ausdrucksstark dar, das Adagio mit seinen langsamen Kantilenen wohlklingend und virtuos die schnellen, technisch sehr anspruchsvollen Sätze.
Solo-Auftritt dann für den Meister selbst: „…Und Salomo sprach“ von Volker David Kirchner (geboren 1942) war ein Arioso über einem Orgelpunkt C – formal streng, fast barock, mit unnachgiebigem musikalischem Duktus, das ebenso wie das „Arpeggio“ von Jean-Louis Duport (1749 bis 1819) – ein vertracktes Stück an Läufen und Doppelgriffen – zeigte, dass Professor Boettcher nicht umsonst als Cello-Meister gilt. Vom beinahe meditativ anmutenden gemeinsam gespielten „Ave Maria“ von Giuseppe Verdi (1813 bis 1901) ging es über in die Kammermusik.
Was braucht es da noch andere Streichinstrumente, wenn vier Celli Robert Schumanns (1810 bis 1856) Konzert für Violoncello op.129 interpretieren. Lukas Barmann, David Neuhaus und Benedikt Loos als geforderte und souverän aufspielende Begleiter zierten den solistischen Auftritt von Carolin Wieler, die anmutig-expressiv den ersten Satz spielte und in quasi fliegendem Wechsel von Lukas Rothfußer abgelöst wurde, der den Mittelteil und den sehr lebhaften Schlusssatz mit satten Tönen übernahm. Schnellste Läufe, höchste Lagen, da war hohe Konzentration gefragt. Die Sonate für zwei Violoncello von Boris Blacher (1903 bis 1975) – für seinen Schüler Boettcher 1971 „maß“-komponiert, ist auch knapp 60 Jahre später ein intensiver, eigenwilliger und spannender Klanggenuss, den Professor Boettcher zusammen mit Jonas Palm dem Publikum bereitete.
Eine gänzlich andere Klangfarbe bot das Duo Cello (hier Benedikt Loos) und Oboe (hier Professor Schellenberger) mit der Sonate in c-moll von Johann David Heinichen (1683 bis 1729) – da wurde barocke Sinnesfreude zelebriert. Dass zehn Cellisten – in Anlehnung an das von Professor Boettcher gegründete Ensemble der zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker – auch kammermusikalisch brillieren können, bewies die Meisterklasse mit dem ergreifenden vierstimmigen Choral „Locus iste“ von Anton Bruckner (1824 bis 1896).
40 Seiten, vom tiefen C bis in die viergestrichenen Flagioletts – diese Bandbreite präsentierte abschließend die Meisterklasse mit modernen südamerikanischen Rhythmen bei Heitor Villa-Lobos‘ (1887 bis 1959) Bacchianas Brasilieiras Nr 1 „Embolada“ und der „Fuga y misterio“ von Astor Piazzolla (1921 bis 1992). Aus Südamerika zurück nach Sachrang kehrte man mit einem Walzer in As-Dur von Johannes Brahms (1833 bis 1897) – fürwahr spannende, fantastische Klänge.