Wüstling mit zwei Gesichtern

von Redaktion

Premiere von Mozarts „Don Giovanni“ auf Schloss Amerang

Amerang – Manchmal ist das Leben eben doch ein Wunschkonzert: Bei der alljährlichen „Wunschzettel“-Aktion der Opernfestspiele Schloss Amerang stand „Don Giovanni“ ganz oben. Wen wundert es, gehört das kurzweilige „Dramma giocoso“ von Wolfgang Amadeus Mozart und Lorenzo Da Ponte (Libretto) doch zu den meistgeliebten Werken des Opernrepertoires. Mit einem Regenbogen als buntem Vorspiel, den Schlossherr Ortholf Freiherr von Crailsheim als gutes Omen bewertete, feierte die Oper in der Regie von Ingo Kolonerics nun ihre Premiere im Arkadeninnenhof.

Kolonerics, der bekannt ist für seine schnörkellosen und werktreuen Inszenierungen, weiß den vorgegebenen Raum geschickt zu nutzen, in dem nicht nur die Bühne, sondern auch stets die Arkaden bespielt werden und es Auftritte, Abgänge und Szenen im Publikumsbereich gibt. In dieser Unmittelbarkeit besteht nicht zuletzt der Reiz der „Oper für alle“ auf Schloss Amerang. Bei „Don Giovanni“ suggerierte ein bemalter Vorhang hinter der unverstellten Bühne die Frontansicht einer mediterranen Villa (Bühnenbild: Hendrik Müller). Sie steht gleich zu Beginn für das Zuhause von Donna Anna, Don Giovannis jüngster Eroberung – der Tausendunddritten in Spanien, folgt man den Aufzeichnungen seines Dieners Leporello („Il catalogo è questo“). „Eroberung“ ist freilich das falsche Wort: „Übergriff“ trifft es wohl besser. Diesen Don Giovanni, der ja bereits im vollständigen Titel der Oper – „Il dissoluto punito ossia Il Don Giovanni“ – als Wüstling eingeführt wird, mimt der türkische Bariton Nejat Isik Belen konsequent als schmierigen Widerling.

Und auch der ewig hadernde Leporello ist in dieser Inszenierung beileibe kein Sympathieträger. Fernando Araujo stellt ihn als linkischen Opportunisten dar, der selbst nur zu gerne ein Schürzenjäger wäre. Offenkundig wird dies, als er sich unbemerkt an eine Musikerin im Orchester heranmacht und der Armen damit einen gewaltigen Schreck einjagt – sehr zur Belustigung des Publikums.

Bereits beim Mord an Donna Annas Vater, dem Komtur (Roger Krebs), hatte sich Leporellos dunkle Seite offenbart, als er nämlich Don Giovanni einen Dolch – die Tatwaffe – zusteckte. Mit kühnem Bariton, expressivem Spiel und prononciertem Italienisch provozierte der Brasilianer Araujo so manchen Zwischenapplaus.

Auch Nejat Isik Belen überzeugte sowohl im Vortrag als auch in der Darstellung. Der unbedarften Zerlina (herrlich erfrischend: die Amerikanerin Erin McMahon) verdreht er geschickt mit süßen Worten und strahlendem Gewinnerlächeln den Kopf, die vor Wut schäumende Donna Elvira (eleganter dunkler Sopran: Melis Cirpici) tut er kurzerhand als verrückt ab und verbietet ihr mit drohender Gebärde und zischendem „Zitto!“ den Mund. Die Rolle des Masetto schmückte der italienische Bassbariton Giovanni Augelli mit sonorer Stimme und großer Spielfreude aus.

In ihrer Haltung mitunter etwas statisch im Bild der trauernden Tochter verharrend, punktete Dilay Girgin einmal mehr mit ihrem glockenhellen Koloratursopran (begeisterter Zwischenapplaus für die Arie „Or sai chi l’onore“). Erst am Abend zuvor war die junge Sängerin an gleicher Stelle als Lucia di Lammermoor gefeiert worden. Auch Marco Antonio Lozano, der die Partien des Don Ottavio mit geschmeidiger und kräftiger Tenorstimme einwandfrei vortrug, blieb vom Ausdruck her mit seiner ernsten Miene recht eindimensional.

Die Stärke der Aufführung lag in der hervorragenden Ensemble-Leistung, im eingespielten und homogenen Auftritt der so unterschiedlichen Gesangstalente, der schließlich im gemeinsamen „Questo è il fin di chi fa mal!“ gipfelte. Zurückzuführen ist dies nicht zuletzt auf zum Teil mehrjährige Engagements in Ingo Kolonerics‘ „Oper im Berg“, einer Plattform für Gewinner des Gesangswettbewerbs „Grandi Voci“, sowie die gemeinsamen Auftritte im Rahmen der Opernfestspiele Schloss Amerang. Gleiches gilt für das junge Festival-Orchester, das unter der Leitung des Tenors Waku Nakazawa beherzten Einsatz zeigte. Am Ende gab es herzlichen Applaus, insbesondere für die Publikumslieblinge Dilay Girgin und Fernando Araujo.

Am Samstag

Aufgeführt wird „Don Giovanni“ noch einmal am Samstag, 27. Juli, um 19.30 Uhr. Karten gibt es im Büro von Schloss Amerang unter Telefon 08075/919299, per E-Mail an konzerte@schlossamerang.de und unter www.schloss-amerang.de.

Artikel 6 von 8