Jazz-Improvisationen zu Beethoven

von Redaktion

Pianist Chris Gall lässt sich auf ein musikalisches Experiment mit der Salzburger Philharmonie ein

Salzburg – Das ursprünglich im Beethovenjahr geplante Projekt „Beethoven goes Jazz“ mit der Salzburger Philharmonie und dem gebürtigen Aiblinger Jazzpianisten Chris Gall konnte als eine der ersten Veranstaltungen nach den Lockerungen der Pandemiebestimmungen im Großen Festspielhaus in Salzburg vor ausverkauftem Haus aufgeführt werden.

Mit Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur hatte Chris Gall zusammen mit der Chefdirigentin der Salzburger Philharmonie, Elisabeth Fuchs, ein Werk Beethovens erarbeitet und einstudiert, das an verschiedenen Punkten den Ansatz bot, Elemente der modernen Jazzmusik mit der klassischen Struktur zu verschmelzen.

Sichtlich angespannt und sich der Bedeutung dieser größten klassischen Konzertbühne Europas bewusst, wartete Chris Gall nach der marschähnlichen Einleitung auf seinen ersten Einsatz, um das Thema des ersten, heiteren und lebhaften Satzes aufzunehmen, wobei er sich zu Beginn stark an die Partitur hielt. Schon bald blitzten aber in kurzen solistischen Passagen erste jazzige Elemente in der Phrasierung, in Synkopen bis hin zu leichten Disharmonien und als Zitate auf.

In der langen Kadenz des ersten Satzes ließ die Chefdirigentin dem Jazz-Pianisten freie Hand und über kurz oder lang kamen Swing und ein rollender Bass als Grundstimme zum Vorschein, die mit der virtuosen Rechten ein Feuerwerk an Klangkaskaden entfachte. Er schaffte es nicht nur, dass Dirigentin und Orchester gebannt seine Improvisationskunst und den Weg zurück zum Thema verfolgte, sondern man konnte immer wieder ein verstehendes Lächeln auf den Gesichtern der lauschenden Instrumentalisten erkennen, bis sie den ersten Satz in der Schlusspassage wieder nahe an der Originalpartitur gemeinsam beendeten.

Der langsame, lyrische zweite Satz lebte von der klaren Melodieführung des Orchesters, mit dem Chris Gall perfekt harmonierte. Gerade die Zartheit, die man von Eigenkompositionen des Jazzers kennt, kam hier zum Tragen.

Der letzte Satz, das Rondo Allegro Scherzando machte noch einmal deutlich, was mit dem Thema „Beethoven goes Jazz“ gemeint war: In einem konzertanten Wettstreit ging es symbolisch von der Bar auf den Tanzboden. Der Pianist zeigte sich als humoristischer Taktgeber, der das Orchester zu ausgelassener Freude antreibt und mit dem Schlussakkord gab es Beifallsstürme aus dem Publikum.

Schon im ersten Satz des Klavierkonzerts hatte Chris Gall mit einem Zitat aus Oscar Peterson „Hymn to Freedom“ einen Hinweis auf den zweiten Teil des Konzertabends versteckt: Beethovens 9. Symphonie, die mit großem Orchester der Philharmonie und dem 120 Sänger umfassenden Chor zur Aufführung kam.

Dass Chor und Gesangspartien von Elisabeth Fuchs online einstudiert worden sind, war nicht zu spüren, vielmehr brach sich im Hauptthema der Ode an die Freude eine Begeisterung Bahn, die beim ursprünglich geplanten Termin vor dem Lockdown in dieser Weise wohl sicher nicht entstanden wäre. Jetzt war es die pure Freude über ein Wiederaufleben der Kultur.Arnulf Lüers

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