Mietraching, Tyrlaching, Wiechs: Das leidige „ch“ im Namen

von Redaktion

„Bairisch ist ein hochdeutscher Dialekt“, sagt der Kursleiter. Da mag der Henner aus dem niedersächsischen, die Vicky aus dem bairischen und der aus dem moselfränkischen Sprachraum stammende Matthias sowie eine Reihe anderer Studenten eines Sprachenseminars ungläubig staunen: Die Fachliteratur liefert den Beweis: Im alemannisch-bairischen Sprachraum, der auch als Oberdeutsch bezeichnet wird – „auch das noch“, seufzt der aus dem niederdeutschen Sprachraum, stammende Henner – wurde die hochdeutsche Lautverschiebung bis zum Jahre 750 fast vollständig vollzogen: Die Verschlusslaute p, t, k wurden zu pf, z, ch verschoben. Aus ‚Pund‘ wurde ‚Pfund‘, aus ‚Water‘ wurde ‚Wazzer‘, später ‚Wasser‘, aus ‚maken‘ entstand ‚machen‘.

Ein K am Wortanfang wurde allerdings nur im sogenannten Alpendeutsch zum Ch verschoben: Chorn heißt es noch heute im Tirolerischen, Korn („Koun“) im Boarischn.

„Aber die bairischen Hochdeutschsprecher haben das ch in den Wörtern ja gar nicht durchgehalten“, bemerkt ebenso listig wie kenntnisreich der Moselfranke Matthias. „Anstatt einen Kuchen zu backen heißt es hier doch: aan Kuaha baha, oder etwa nicht?“

Zustimmung, und der Henner setzt noch eins drauf: „Lass uns mal auf bestimmte Ortsnamen aus der althochdeutschen Zeit von 750 bis 1050 kucken: Da hamm die Bayern offenbar das ch mitten im Nam‘n wieder zurückgenomm‘n. Wie anders erklärt sich sonst die Schreibung ‚Modrikingun‘ von 804 für den Ort Mietraching bei Batt Aibling, wie sonst erklärt sich die Schreibung ‚Deorlekingas‘ von 790 für Tyrlaching im Rupertiwinkel?“

Der Seminarleiter zitiert aus der Forschung. Das k in Modrikingun und Deorlekingas könnte auf einer konservativen Schreibweise von Vertretern der damals im bairischen Sprachraum noch lebendigen romanischen Sprache beruhen; wenig später sei ja Motrichingen und Tierlechinga mit bairisch-hochdeutschem ch geschrieben worden und bis heute in den Namen Mietraching und Tyrlaching erhalten geblieben.

„Moment mal“, wirft der Henner lächelnd in die Runde. „Die Einwohner von Mietraching sprechen dann aber niederdeutsch, wenn sie ihr Örtchen ‚Miadakin‘ nenn’n!“ Und die Vicky weiß, wie Tyrlaching auf boarisch heißt: „Da gibt’s kein Problem mit k und ch: Dort sagt man ‚Tyrling‘ oder ‚Dialing‘. Diplomatisch, gej?“

Der Matthias versucht, das ch-Problem so zu lösen: „In Tyrlaching kam es zu einer Vereinfachung mit komplettem Wegfall des ch; im Namen von Mietraching bildete sich am Anfang der dritten Wortsilbe, quasi als Wortanfang, so wie bei ‚Korn‘, die Silbe –kin anstelle der nicht bairisch klingenden Anfangssilbe –chin. Kein niederdeutsches k-Überbleibsel seit 1200 Jahren, Henner!

Aber es gibt noch eine weitere Variante beim ch: Wiechs im Landkreis Rosenheim ist für 1166 als ‚Wiehsi‘ überliefert, wobei das h hier anfangs sicherlich als ch gesprochen wurde. Zusammen mit s wurde daraus in der Mundart ein x, also: ‚Wiax‘. Aber was wurde denn aus ‚Mahsminreini‘?“ Die Vicky weiß natürlich Bescheid: „Ja klar: Maxlrain!“ Armin Höfer

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