Atemlos bis besinnlich im fliegenden Wechsel

von Redaktion

Sigi Zimmerschied bietet dem Publikum ein Kaleidoskop an Blickwinkeln und Szenerien

Rosenheim – Atemlos bis besinnlich tauschte der Altmeister des Kabaretts im fliegenden Wechsel seine Rollen. Immer wieder ließ er vor dem inneren Auge des Publikums fiktive Figuren erstehen, mit denen er im Wechsel direkt umsprang, sie als Telefonpartner zum Leben erweckte oder das Publikum miteinbezog. Seit über 50 Jahren steht dieser Allrounder auf Bühnen ebenso wie in Film und Fernsehen. Ob er Shakespeare zitiert oder persifliert, ob er als jammernder Sohn einer dominanten Mutter klagt: „Gegen Mütter ist die N`drangetha ein müder Erpresserverein“ oder dem ebenso fiktiven Vater vorwirft seine Jugend durch Erwartungszwang zerstört zu haben. Immer hält er dem Publikum einen ebenso bizarren wie skurrilen Spiegel vor.

Als Personalcoach demontiert er einen hilfesuchenden Abgeordneten ebenso wie einen Erfolg heischenden Schauspieler. Ein gedankenloser Zuschauer, der in der ersten Reihe mit seinem Smartphone hantiert wird gnadenlos in seine Schranken gewiesen. Der Solokünstler, berstend vor Schauspiellust, agiert zwischen „Verbal-Rotze“ und Monologen mit einer masturbierenden Hausstaubmilbe. Er eifert sich über den Optimismus der Henker gleichermaßen wie über „Deutschland einig Neandertal“. Er akzeptiert „Schwachsinn als meine Existenzgrundlage“ und weiß, dass „Amnesie ein Geschenk sein kann.“ Deshalb könne ein Schlaganfall durchaus vierzig Jahre Meditation ersetzen.

Das Ganze in einem Gewitter von Nuancen und Akzenten, brüllend, nuschelnd, flüsternd und beschwörend jagt er sein Publikum von Betroffenheit zu Heiterkeit, lässt es doch nachdenklich und fragend zurück und heißt es „in meiner Ratlosigkeit willkommen“. Wahrhaft Kabarett reinsten Wassers, was das Publikum zunächst atemlos, dann aber mit brausendem Beifall honorierte. Theodor Auer

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