Die über das Wasser fliegt

von Redaktion

Mit einem Video fing alles an, jetzt ist Marie Schlittenbauer aus Stephanskirchen Doppel-Weltmeisterin

Rosenheim – Angefangen hat alles mit kurzen Video-Clips. Damit hat sich Marie Schlittenbauer beworben, um am Weltcup der Wingfoiler teilzunehmen. Mittlerweile ist die junge Sportlerin aus Stephanskirchen zweifache Weltmeisterin, im Freestyle und in der U19-Klasse. Beide Titel hat sie im zarten Alter von 15 Jahren errungen. Im Gespräch mit der OVB-Sportredaktion erklärt die Doppel-Weltmeisterin den Weg zu den Titelgewinnen, erzählt von ihrem liebsten Trainingsrevier und erläutert, welche Sportart bei ihr in den nächsten Monaten auf dem Programm steht.

Wingfoil ähnelt dem Windsurfen. „Statt dem Segel gibt es den Wing, den man aufblasen kann. Und den hält man einfach in der Hand. Und unterm Board hat man eine lange Finne, mit der kann man im Prinzip übers Wasser schweben“, erklärt Marie Schlittenbauer der OVB-Sportredaktion. Mit dem Foil könne man quasi übers Wasser fliegen. „Dann kann man auch bei weniger Wind schon gut fahren“, sagt sie. Zudem sei das Foil viel leichter, weshalb man auch besser Tricks machen könne. Papa Markus ergänzt: „Im Vergleich zum Windsurfen ist der Wasserwiderstand einfach viel geringer. Dieser Flügel braucht vielleicht nur ein Fünftel des Widerstandes, was ein normales Surfbrett auf der Wasseroberfläche hat.“

Das Gefühl, übers Wasser zu schweben, ist laut Marie Schlittenbauer „voll cool. Beim Surfen hat man immer dieses Aufklatschen der Wellen zwischendurch, aber beim Wing spürt man das überhaupt nicht. Das ist einfach entspannt zu fahren.“ Dazu kommen ja auch noch die Tricks und die Sprünge: „Der Weltrekord bei den Männern ist bei etwa 17 Metern und bei den Frauen bei neun.“ Deshalb braucht es auch einen Schutz: „Der Helm ist Pflicht, das Tragen einer Prallschutzweste variiert von Event zu Event“, sagt die Doppel-Weltmeisterin. Sie gibt auch zu: „Bei den Flips, wo man sich irgendwann das Segel drüber legt – das ist am Anfang schon gruselig. Aber wenn man es zweimal gemacht hat, und sieht, dass eigentlich nichts schief gehen kann, dann geht’s auch.“ Groß schief gegangen ist bei ihr noch nichts, obgleich sie auch teilweise mit bis zu 50 km/h unterwegs ist: „Manchmal, als ich meine Frontflips gelernt habe, bin ich ein bisschen eingeschlagen. Aber wirklich weh getan habe ich mir noch nie.“ Einfach ausprobieren ist angesagt, einen kleinen Tipp hat die junge Sportlerin aber: „Das Wichtigste ist, dass man schnell ist, bevor man abspringt.“

Die Tricks haben Schlittenbauer letztlich auch zur Weltmeisterschaft gebracht. „Man musste mehrere Videos einschicken und die wurden dann angeschaut. Und dann entscheidet eine Jury, wer mitmachen darf“, erzählt die junge Sportlerin. Sie hat es geschafft und war dann beim Weltcup, den der in Hamburg beheimatete Verband Global Wingsports Association (GWA) durchführt. Vier Wettbewerbe hat es heuer gegeben, dort werden Punkte vergeben und wer letztlich in Summe die meisten Punkte auf sich vereint, der ist Weltmeister. „Ich war nur bei drei Wettbewerben, beim ersten Stop bin ich noch nicht mitgefahren“, sagt Schlittenbauer. Meistens seien es „so 20 bis 24 Starter“.

Bei den Weltcups fahren dann meistens zwei gegeneinander, wobei man in der ersten Runde noch nicht rausfliegen kann. Wenn man da aber vorne ist, dann kommt man gleich in die dritte Runde. Die Verlierer der ersten Runde kommen in die zweite – und wenn man da noch mal verliert, dann ist man raus. Bei den Damen gab’s mit Finale sechs Runden. Die Altersstruktur ist jung: „Das Wingen machen viele junge Leute. Die Hauptgruppe ist von 15 bis 20 Jahren“, erzählt Schlittenbauer – sie ist also gerade mal am Anfang.

Bei ihr hat alles am Gardasee angefangen. „Das ist mein Lieblingsrevier“, bekennt sie – und nicht nur, weil man von Stephanskirchen aus ziemlich schnell dort ist. „Ich mag es generell lieber, wenn nicht so viel Wind ist – und deswegen ist der Gardasee eigentlich perfekt.“ Der Chiemsee sei hingegen zu oft windstill: „Da passt es vielleicht mal zwei Monate. Und dann ist es manchmal auch zu böig, weil da ja überall Bäume außen sind.“ Das Surfer-Gen ist ihr familiär in die Wiege gelegt, ihr älterer Bruder Franz ist stets einer der Trainingspartner. Die beiden Geschwister und ein paar Freunde bilden stets eine Trainingsgruppe. „Da ist eigentlich immer jemand dabei.“ Zum Frühwind geht es dann nach Malcesine, später hoch nach Torbole.

Die Wettbewerbe sind dann woanders: An der Costa Brava beispielsweise, oder auf Fuerteventura. Die junge Sportlerin muss sich dafür, wenn nicht gerade Ferien sind, auch mal von der Schule befreien lassen. Schlittenbauer besucht die zehnte Klasse des Sebastian-Finsterwalder-Gymnasiums in Rosenheim. „Bis jetzt läuft es ganz gut“, sagt sie. Natürlich ist ein guter Abschluss ihr Ziel. Den olympischen Traum kann sie aktuell hingegen nicht verfolgen. „Wenn es olympisch wird, dann wohl nur die Wettbewerbe im Racen. Das ist beim Kitesurfen auch so, dass nur das Racen und nicht Freestyle olympisch ist.“ Und das Racen hat Schlittenbauer nicht vor: „Das ist mir zu langweilig.“ Und so macht sie sich jetzt daran, im nächsten Jahr ihre WM-Titel zu verteidigen. Wobei sie auch vorsichtig erklärt: „Ich habe das alles jetzt ziemlich schnell gelernt. Vielleicht gibt’s ja auch andere, die das so schnell lernen. Aber bis jetzt sieht’s noch ganz gut aus.“ Möglicherweise kommen schon im nächsten Jahr weitere Pokale hinzu. Die aktuellen „stehen bei mir im Zimmer auf meinem Fensterbrett“.

Die Pokale vom Skisport stehen mittlerweile woanders. Vor ein paar Jahren hatte sich Marie Schlittenbauer schon auf den Sportseiten der OVB-Heimatzeitungen verewigt – zum Beispiel 2022 als siegreiche Teilnehmerin beim U12-Kids-Cross-Cup des SV Inngau. „Ich fahre schon noch Ski. Im Sommer gehe ich halt Wingen und dann im Winter Skifahren“, sagt die Stephanskirchenerin, die auf zwei Brettern für den SC Aising-Pang aktiv ist. Auch dort will sie bei den Meisterschaften starten – und natürlich ganz vorne landen. Wenn möglich mit schneller Geschwindigkeit, allerdings ohne neun Meter hohe Sprünge.

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