Salzburgs kleiner Ketzer

von Redaktion

Das BR-Sonntagskonzert im Prinzregententheater widmet sich dem jungen Mozart unter anderem mit einem geistlichen Singspiel

von markus Thiel

Eminenz hätte danach in den Beichtstuhl gebeten. Ein gefallener Christ, um den der sinnenfrohe Weltgeist sowie der Christgeist als Vertreter des Höchsten buhlen, dazu Barmherzigkeit und Gerechtigkeit als allegorische Sprachrohre, all das war damals vom Salzburger Erzbischof sehr ernst gemeint. Von Mozart eigentlich auch, der sich als Elfjähriger mit dem geistlichen Singspiel „Die Schuldigkeit des ersten Gebots“ auf den Opernkontinent wagte. Man kann die Sache aber, so wie hier im Prinzregententheater, durchaus mit Ironie versehen – und es funktioniert. Weil Amadé, der kleine Ketzer, vielleicht auch dies im Schilde führte.

Beim Sonntagskonzert des Münchner Rundfunkorchesters zum Thema „Der junge Mozart“ darf also Sopranistin Regula Mühlemann den neckischen, koloraturen- und höhensicheren Weltgeist geben, während sich Mezzo Wallis Giunta als Gerechtigkeit mit etwas viel Aplomb offenkundig bei Rossini glaubt und Guanqun Yu (Sopran) die Barmherzigkeit im handgebremsten Diven-Modus absolviert. Sehr heterogen das alles. Sehr wirkungsvoll aber auch – der unbekümmerte Jungkomponist schickte seine Solisten gern über ausgedehnte Hindernisstrecken.

Die Tenöre Stefan Sbonnik (Christ), vor allem Matthew Swensen (Christgeist) erledigen ihre Aufgaben mit Noblesse – und sind da ganz beim Dirigenten Alessandro De Marchi. Der Experte für Historisches ist ja kein Sturmdränger, sondern einer, der freundlich zum durchlüfteten, atmenden Klangbild einlädt. Das Rundfunkorchester, eigentlich nicht als Spezialistentruppe bekannt, lässt sich darauf gern ein. Solistisch übrigens auch: Die „Serenata notturna“ vor der Pause klingt wie aus dem Musterbuch der Stilkunde, während die einleitende sechste Symphonie anfänglich leicht massiv daherkommt.

Regula Mühlemann, zurzeit bei Barock und Wiener Klassik heftig beworben, ist noch mit der Konzertarie „Non curo l’affetto“ beteiligt. Dass sich für die Karriere nur Bestes prophezeien lässt, hört man. Auch, dass manches wie in den Koloraturen mit einer Spur zu viel Nachdruck gesungen wird. Noch ist ja genug Zeit, um dem Istzustand der eigenen Stimme zu vertrauen.

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