Bleiben Sie, möchte man dem Besucher im Obergeschoss der Pinakothek der Moderne zurufen, der vielleicht meint, sich bereits „sattgesehen“ zu haben und den aus konservatorischen Gründen abgedunkelten Saal 15 nur flüchtig streift. Nicht etwa, weil die 16 Arbeiten, die zusammen eine aufregende Ruhe ausstrahlen, leicht zu konsumieren wären. Sondern weil sie dazu einladen, den frühen Fritz Winter (1905-1976), bevor er in der Nachkriegszeit als einer der wichtigsten abstrakten Maler geachtet wurde, für sich zu entdecken: ein nachdrückliches Erlebnis. Obendrein bereiten sie den Weg für die große Paul-Klee-Ausstellung ab 1. März.
Zudem ist dies nur ein Einblick in den Kernbestand der vom Künstler noch selbst initiierten Fritz-Winter-Stiftung (gegründet 1981), der den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen 2017 als unbefristete Leihgabe übergeben wurde.
Fünf kleine Werkgruppen unterscheidet die lose Schau: Chronologisch beginnt sie 1928 am Dessauer Bauhaus in der Malklasse von Paul Klee, wo Winter mit Materialstruktur, Pinselstrich und Techniken wie Ritzzeichnung, Frottage, Monotypie experimentiert. Weiter geht es mit drei der farbkräftigen „Abstrakten Stillleben“ von 1931, kurz nach Winters Berliner Jahr als Assistent des Bildhauers Naum Gabo. Deren biomorphe Formen, spielend mit Licht und Schatten, Oberfläche und Bewegung, führen bereits hin zu Winters faszinierenden „Sternbildern“ (1932), in denen er die kleinste Zelle schwerelos im größten (Welt-)Raum aussetzt – matt oder lackiert, durchzogen von feinen Adern, beseelt durch einen bunten Kern. Da und dort blitzt die helle Grundierung durch das Schwarz des Alls: Als entfernte Galaxien machen Lichtreflexe Zeit sichtbar.
Im Jahr 1937 – er war 1933 nach München und 1935 nach Dießen am Ammersee gezogen – erhielt Winter Mal- und Ausstellungsverbot. Die Kriegserfahrung als Soldat teilte er – einen Weltkrieg später – mit Freund Paul Klee und auch mit Franz Marc, dessen „Skizzenbuch aus dem Felde“ (ab 22. Februar in der Schau „Skizzen-Buch-Geschichte[n]“) sich in hunderten Zeichnungen widerspiegelt. „In den toten Bäumen hängt der müde Tag“ nennt Winter 1942 eine apokalyptisch anmutende Szene, während die später typischen „Kristalle“ einen visionären Hoffnungsschimmer bergen.
Der findet sich auch in den beiden Neuerwerbungen aus der umfangreichen Werkgruppe „Triebkräfte der Erde“ von 1944. Sie malt Winter heimlich, kriegsverletzt auf Heimaturlaub in Dießen, auf einfaches DIN-A4-Papier. Etliche feine Farbschichten wachsen aus einem erdenen Dunkel zu einem Fenster aus Leben spendendem Licht. Die sanfte Kraft dieser Blätter macht Winter berühmt, noch bevor er 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft freikommt.
Bis 10. Juni;
Di.-So. 10-18 Uhr,
Do. 10-20 Uhr;
Telefon 089/ 238 05 360.