Nichts wird wieder gut

von Redaktion

Lukas Rietzschels Debütroman „Mit der Faust in die Welt schlagen“ ist höchst aktuell

VON ULRIKE FRICK

Das Romandebüt von Lukas Rietzschel ist von niederschmetternder Aktualität. Die Ausschreitungen in Chemnitz Ende August haben den Text zum „Buch der Stunde“ gemacht. Doch letztlich belegt „Mit der Faust in die Welt schlagen“ auch nur, was aufmerksamen Beobachtern schon lange klar war.

Der 1994 im Osten Sachsens geborene Autor erzählt von den Brüdern Philipp und Tobias, die ebenfalls dort, im Osten Sachsens, aufwachsen. In der Oberlausitz, einem Landstrich, der seit dem Ende der DDR gravierenden Veränderungen unterworfen war. Die Braunkohle war nicht mehr beliebt, die Industrie verschwand und mit ihr die Hoffnung auf eine gesicherte Existenz. Die einen wandern, auf der Suche nach besseren oder besser bezahlten Jobs. Die anderen hangeln sich von einer befristeten Stelle oder Umschulung zur nächsten ohne Aussicht auf Festanstellung. Der Rest ergibt sich seinem Schicksal und dem Suff. Bildungsmöglichkeiten gibt es kaum, öffentliche Verkehrsmittel noch weniger. Bleibt nur das Vorsichhinbrüten bei Bier und Pfeffi. Die Nachbarn beäugen sich genau, denn einer hat immer etwas, um das der andere ihn beneidet. Dieses permanente Gefühl des Zukurzgekommenseins verdirbt alles. Nichts wird wieder gut.

Den Ort, an dem Rietzschels Roman spielt, gibt es zwar nicht. Doch den Niedergang einer Familie und den Konkurrenzkampf der Geschwister oder die alles erdrückende Chancenlosigkeit und Lethargie sowie das Ausbluten der Gemeinden durch die Abwanderung – das alles gibt es sehr wohl. Aus dieser Perspektivlosigkeit speist sich das gravierendste Problem der Region, der Rassismus und Rechtsextremismus. Rietzschel benennt diese fatalen Entwicklungen am Beispiel von Philipp und Tobias. Die fremdenfeindliche Stimmung skizziert er präzise, auch wenn er keine plausiblen Antworten findet, warum einer Nazi wird und ein anderer nicht. Dabei bewertet er nicht, relativiert nichts. Er zählt nur die Entwicklungsschritte auf, meist in knappen, kurzen Sätzen. Dadurch gewinnt der erschreckende Text immer mehr an Spannung und Tempo, wie ein böser, albtraumhafter Thriller – bis zum bitteren Ende.

Lukas Rietzschel:

„Mit der Faust in die Welt schlagen“. Ullstein Verlag, Berlin, 316 Seiten; 20 Euro. Hörbuch, eindringlich und nüchtern gesprochen von Christoph Letkowski, bei Hörbuch Hamburg.

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