20 Jahre „Paradisi Gloria“

Das Münchner Rundfunkorchester feiert heute das Jubiläum seiner Reihe für neue Sakralmusik
Wenn heute Abend in der Herz-Jesu-Kirche in München-Neuhausen das „Glagolitische Requiem“ aus der Feder des kroatischen Komponisten Igor Kuljerić zur Aufführung gelangt, feiert man damit tatsächlich schon den 20. Geburtstag von „Paradisi Gloria“. Gleichzeitig ist dies auch willkommener Anlass, um an den Gründervater der beliebten Reihe zu erinnern: Marcello Viotti, dessen Todestag sich am 16. Februar zum fünfzehnten Mal jährt. Als er 1998 die Leitung des Münchner Rundfunkorchesters übernahm, keimte in ihm bereits die Idee für einen Schwerpunkt mit geistlicher Musik des 20. Jahrhunderts. Wobei das ursprünglich auf ein Jahr angelegte Projekt aufgrund des großen Erfolgs schnell in die Verlängerung ging.
Gitta Jäger, die damals mit Viotti die Organisation und künstlerische Planung übernommen hatte, erinnert sich gut an die Anfänge. „Die Reihe zu füllen, war gar kein Problem, weil Marcello ein unglaublich breites Repertoire aus dem Ärmel schütteln konnte. Er war auf seine Art ein sehr gläubiger Mensch, der sich immer auch mit neuer Sakralmusik beschäftigt hat“, berichtet sie im Gespräch mit unserer Zeitung. „Aber dann kam die Feinarbeit. Zum Beispiel, einen passenden Raum zu finden.“ Nach dem Auftakt mit Frank Martins „In terra pax“ am 4. Februar 2000 in St. Gabriel und einem Intermezzo in St. Michael, wurde schnell die Herz-Jesu-Kirche zum zentralen Spielort. Für Jäger „das i-Tüpfelchen“, da in diesem schlichten, aber wirkungsvollen Bau nicht nur die Akustik stimmt, sondern auch der improvisierte Backstage-Bereich für Orchester und Technik deutlich großzügiger bemessen ist.
Vorteile, die auch die amtierende Orchestermanagerin Veronika Weber schätzt, deren persönliche Verbindung zur Reihe weit vor ihrem aktuellen Job begann. War sie hier doch bereits 2003 als Organistin unter Viottis Stabführung im Einsatz. „Paradisi Gloria“ zählt für sie zu den markantesten Alleinstellungsmerkmalen ihres Orchesters – mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks als zuverlässigem Partner. „Mir würde in Europa kein anderer Klangkörper einfallen, der etwas Vergleichbares auf die Beine stellt.“ Obwohl die ursprünglichen sechs Konzerte unter Sparzwängen inzwischen auf drei geschrumpft sind, bemüht man sich weiter, diesen wichtigen Farbtupfer im Münchner Konzertkalender zu bewahren. Denn trotz regen Publikumszuspruchs galt es öfter, um den Erhalt zu kämpfen, wie Gitta Jäger erzählt. „Als Marcello 2005 starb, stand gerade die Debatte über eine mögliche Auflösung des Rundfunkorchesters im Raum. Da war die Fortsetzung von ‚Paradisi Gloria‘ nur eine von vielen Sorgen. Aber nachdem die Zukunft des Orchesters gesichert war, war klar, dass auch der neue Chef die Reihe unbedingt weiterführen wollte.“
Wobei es beiden Nachfolgern Viottis gelang, jeweils eigene Schwerpunkte zu setzen. Etwa Ulf Schirmer, der den religiösen Kontext lockerer definierte und auch Stücke wie „The unanswered Question“ von Charles Ives aufnahm. Chefsache bleibt „Paradisi Gloria“ ebenfalls unter Ivan Repušić, bei dem Jäger einige Parallelen zu Viotti zu erkennen glaubt. „Marcello hatte ein Talent, den Musikern das Gefühl zu geben, dass jedes Konzert etwas Besonderes ist, was noch nie da war. Das hat man den Aufführungen immer angemerkt. Und das spüre ich auch bei Ivan Repušić.“