Nur für die letzten Zweifler: Nein, dieses Gesicht kann keine Mimik, kein Mienenspiel. Aber die Beleuchtung, die Augenstellung, die Kopfdrehung, der mal wie zum Fraß geöffnete, mal zum Lächeln geschlossene Mund, all das macht die Illusion perfekt. Der Bodensee-Narr ist also, nach einem Jahr Zwangspause, zurück. Und wird genauso gefeiert wie bei der Premiere 2019, als sich Verdis „Rigoletto“ in Regie und Bühnenbild von Philipp Stölzl (mit Co-Bühnenbildnerin Heike Vollmer) in die beste ikonische Tradition der Bregenzer Festspiele einreihte.
Dieser Kopf mit den beiden Händen, von der sich die eine bis zum Stinkefinger bewegen kann und die andere einen Ballon festhält (der zum herzzerreißenden Ende geschätzte 50 Meter in die Nacht entsteigt), ist ein Bild fürs ewige Operngedächtnis. Stölzls Augenfutter macht beim zweiten Draufschauen auch ein bisschen skeptisch. Der Kino-Mann („Nordwand“, „Der Medicus“) gibt mit massivem Statisten- und Technikeinsatz „Rigoletto – das Musical“. Was Spaß macht, zwischen Staunen und Träne bestens unterhält, aber doch die Frage provoziert, ob Verdis Opus nicht schwärzer, auswegloser ist, als der Abend suggeriert.
Immerhin beruhigt sich die Aufführung nach anfänglicher Regie-Explosion. Und der muntere Zirkus, als dessen Direktor hier Mantuas Herzog amtiert, zeigt zunehmend Zeichen des Zynismus, der Grausamkeit. Am spektakulärsten bleibt Gildas Montgolfiere-Fahrt zum „Caro nome“, bei der sich die Sopranistin weit und atemverschlagend aus dem Korb lehnt. Und dass Stölzl im Grunde nur mit wenigen Zeichen wie dem Narren und seinem Ballon auskommt, diese aber vom Mini- bis zum Gigaformat variiert, erweist ihn als gewieften Regie-Jongleur.
Neu am Pult ist Julia Jonas, die mit den Wiener Symphonikern aus dem Festspielhaus zugespielt wird. Ihr Verdi ist zielgerichtet, nie zu symphonisch-süffig und tönt wendiger, bissiger, als man es in dieser Akustik für möglich gehalten hätte. Eine Aufrüstung des ohnehin guten Lautsprechersystems sorgt für mehr Tiefenstaffelung des Klangs.
Die Premierenriege (auf der Seebühne sind die Partien traditionell bis zu dreifach besetzt) lässt sich nicht zum Auftrumpfen verführen. Long Long als Herzog und Ekaterina Sadovnikova sind feinzeichnende Stilisten. Auch Vladimir Stoyanov ist nicht auf großflächige Beschallung geeicht, sondern auf viele Zwischentöne, sein Rigoletto ist ein echter Schmerzensmann. Als zur sich zuspitzenden Handlung hinter Lindau ein blitzender Gewitterturm vorbeizieht, hatte man zunächst Stölzl in Verdacht: die Manipulation des Wetters – der ultimative Kick für den Mega-Meister.
Weitere Aufführungen
bis 22. August; Telefon 0043/5574/4076.