Der Foto-Schatz des Williams Fändrich

Entrückt, und dabei doch vollkommen bei sich steht Johnny Winter da. Sein weißes Haar scheint die Szenerie zu erleuchten. Die Aura des Bluesrock-Meisters strahlt bis zu seiner Gibson Flying-V, deren Kopfplatte zur zweiten Hauptperson wird. Wer Johnny Winters harten und schnellen, wenn auch gefühlvollen Gitarrenstil im Hinterkopf hat, wird eine Diskrepanz zur Ruhe im Bild erkennen. Es ist eins jener Bilder, über die Williams Fändrich glücklich ist, dass sie ihm so gelungen sind. Die Voraussetzungen dafür waren alles andere als ideal: schlechtes Licht, rudimentäre Kenntnisse von der Fotografie – und eine geliehene Rolleiflex, immerhin.
Entstanden ist das Foto im Jahr 1971 in Deutschlands erster Großraumdiskothek, dem „Blow Up“ in Schwabing. Fändrich führte damals noch seinen Taufnamen Norbert und hatte gerade seine Lehrstelle bei Foto Sauter am Sendlinger-Tor-Platz angetreten. Er blickte auf ein monatliches Einkommen von rund 180 D-Mark, das keine großen Sprünge ermöglichte. Immerhin aber öffnete es die Türen zu den Gastspielen der Stars einer Ära, die gerade am Aufblühen war.
Schon mit 13 Jahren hatte er sich mit dem Blues infiziert und erste musikalische Gehversuche mit eigenen Bands unternommen. Für durchschnittlich etwa zwölf D-Mark pro Ticket konnte er nun die ganz Großen des Genres sehen. „Lehrlinge durften sich Kameras beim Betrieb ausleihen“, erinnert sich der heute 69-Jährige dankbar. So sei er in den Genuss gekommen, als Anfänger mit einer Profi-Ausrüstung ausrücken zu dürfen. „Nur die Hasselblad, das Luxusmodell, die haben wir nicht bekommen“, berichtet er im Gespräch mit unserer Zeitung lachend.
Dennoch sind dem Foto-Novizen bemerkenswerte Bilder und authentische Zeitzeugnisse gelungen. Seine Sammlung umfasst Motive von Led Zeppelin (Circus Krone, 1970) bei ihrem ersten Deutschlandkonzert, von Jimi Hendrix (1969, Kongresssaal des Deutschen Museums) und seiner Experience bei ihrem letzten Münchner Gastspiel, von Deep Purple (1970) in Originalbesetzung auf Tour zu ihrem LP-Meilenstein „In Rock“ im winzigen „Big Apple“, von Frank Zappa (mit Flo and Eddie, Circus Krone, 1970) oder eben von Johnny Winter mit seiner Formation Johnny Winter And, zu der alle früheren Mitglieder von The McCoys und Rick Derringer gehörten.
Aus nächster Nähe, direkt vor der Bühne im Krone-Bau gelang ihm 1969 ein bemerkenswertes Bild seines Idols Eric Clapton, der zu diesem Zeitpunkt des Starrummels überdrüssig geworden war und als „einfacher“ Gitarrist bei Delaney & Bonnie angefangen hatte: Clapton als sogenannter Sideman nicht im Zentrum des Geschehens und konzentrierten Blickes in Richtung seiner Bandkollegen. Lediglich die Froschperspektive, die ihr Motiv überhöht, gibt Claptons Status als Gitarrengott wieder.
Apropos Froschperspektive: Bei Led Zeppelin saß der junge Fotograf buchstäblich im Sägemehl: „Weil die Band im Winter während der Zirkus-Saison aufgetreten ist, war keine reguläre Bühne aufgebaut, sondern es gab nur direkt in der Manege verlegte Schal-Tafeln“, erinnert sich Fändrich, der nie einen Fotoausweis benötigte – heute völlig undenkbar.
Damals völlig undenkbar: Eine PA-Anlage, über die ein Tontechniker am Mischpult einen Gesamtsound komponiert, der alle Instrumente ausgewogen wiedergibt. „Der Klang kam direkt aus den Verstärkern.“ Mit Blick auf die Marshall-Türme, die Gitarristen wie Jimmy Page, Richie Blackmore oder Jimi Hendrix hinter sich stehen haben, muss das eine unerträgliche Lärmsuppe ergeben haben. Fändrich lacht: „Es war schon laut, aber authentischer und vermutlich näher an dem, wie die Band im Proberaum oder im Studio geklungen hat.“
Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm Hendrix, heute legendär für seine gnadenlos übersteuerten 100-Watt-Verstärker: „Es war nicht unbedingt knüppellaut, vom Sound her sogar richtig gut“, spielt er auf die überragenden Fähigkeiten des Jahrhundertgitarristen an.
Jene Bilder und Erinnerungen, die ihm heute noch am meisten bedeuten, entstanden allerdings bei seinem ersten „richtigen“ Konzertbesuch: Ten Years After im Jahr 1968 im Circus Krone – damals eine seiner Lieblingsbands.
Weitere Informationen
zu Williams Fändrichs Bluesband gibt es online unter www.wetsox.de.



