„Minutemade“ im Münchner Gärtnerplatztheater – ein vorsichtiges Zurück zur Normalität? Jedenfalls wurde das beliebte Schnell- und Sparformat des Tanzensembles nach langer Corona-Pause mit enthusiastischem Beifall gefeiert. Die Pandemie-bedingte Verschlankung von traditionell drei auf jetzt zwei „Minutemade“-Choreografen geht natürlich in Ordnung. Hauptsache: Tanz. Den liefern diesmal Felix Landerer und Frédérick Gravel. Und das nach Bühne ausgehungerte Ensemble hat sich doppelt reingeworfen in die Probenzeit von nur einer Woche.
Knappe Zeit, Kostüme aus dem Fundus, die Premiere auf der Winz-Probebühne im Tiefgeschoss, die Nähe zum Publikum, das schafft eine ganz eigene Atmosphäre: karg, krass naturbelassen. Choreograf wie Tänzer setzen sich viel stärker aus – machen das Publikum aber auch zum Verbündeten. So gesehen eine Win-win-Situation. Als Zuschauer nimmt man seinen Vorteil wahr, saugt sich hinein in Landerers sprödes „Menschen“-Stück. Landerer, seit 2010 sein eigener Compagnie-Chef, der nebenbei auch Inklusions-Programme leitet, schickt einen kleinschrittig bewegten, dicht geschlossenen Tänzerpulk in den Raum. Aus der schützenden, aber auch knebelnden Gemeinschaft lösen sich einzelne Tänzer mit bizarr-freien Bewegungen: zur Erprobung ihrer körperlichen Eigenständigkeit. Das Stück hat eine Schlichtheit, aber auch eine Ehrlichkeit.
Der Franco-Kanadier Frédérick Gravel ist fest verankert in Frankreichs – seit den frühen Achtzigern! – durch die „Maisons de la Danse“ blendend geförderter zeitgenössischer Tanzszene. Mit eigenem Lichtdesign und Musik-Atmo bringt er eine gewisse Vehemenz in den Abend. Der beginnt mit einer Laufsteg-Choreo in ausgeflippten (Container-)Klamotten. Es folgen Szenen mit offensichtlich bekifften Paaren im Tanz-Rausch,schließlich eine wild-wütige Tanz-Demo am Platz, in der jeder, wie am Boden festgeklebt, seine zunächst minimale Bewegung von Oberkörper und Armen zu einer ausladenden Kampfhysterie steigert: Choreografische Bilder für die Möglichkeiten einer Jugend, sich auszuleben, sinnlich oder politisch. Unterlegt ist diese existenzielle Show mit vielfältigen Geräuschen, Klängen, Rhythmen und akustisch verwischten Songs – Musik wie aus einer Albtraum-Disco.
„Minutemade – Akt II“
gibt es am 3. März, 21 Uhr; Telefon 089/ 21 85 19 60.