Der kämpferische König

von Redaktion

Zum Tod von Harry Belafonte, dem „King of Calypso“ und Bürgerrechtler

VON ZORAN GOJIC

Er war der erste Künstler, der eine Million Langspielplatten verkauft hat. Er wurde zu einer Ikone des Showgeschäfts und engagierte sich als Bürgerrechtler, ohne Angst davor zu haben, als unbequem zu gelten. Gestern nun ist Harold George Bellanfanti Junior im Alter von 96 Jahren in New York gestorben.

Doch der Mann, der als Harry Belafonte berühmt werden sollte, hatte einen denkbar schlechten Start ins Leben. Er kommt am 1. März 1927 im New Yorker Stadtteil Harlem als Kind von Einwanderern zur Welt, die Mutter schickt ihn zunächst einmal zurück in ihre Heimat Jamaica. Dort schnappt der kleine Harold den karibischen Sound auf – der Grundstein für seine Krönung zum „King of Calypso“.

Doch bis es so weit ist, warten einige Hürden. Zurück in New York, prügelt ihn der Vater regelmäßig krankenhausreif. Die Schläge machen aus dem Burschen einen harten Hund mit Neigungen zum Kleinkriminellen. Für den Kriegsdienst darf er zwar raus aus Harlem, allerdings bekommt er als afro-amerikanischer Matrose oft die gefährlichste Drecksarbeit zugeteilt. Scharfe Munition verladen und solche Sachen.

Belafonte freilich will das Schicksal als rechtloser Schwarzer nicht einfach hinnehmen. Der hochgewachsene, gut aussehende junge Mann strotzt vor Selbstbewusstsein und ist auf Krawall gebürstet. Einmal, da ist er noch nicht berühmt, springt er in einen Swimmingpool, der für Weiße reserviert ist. Einfach nur, um zu zeigen, dass ihm alle den Buckel runter rutschen können. Nach dem Krieg will er Schauspieler werden und studiert beim deutschen Exilanten Erwin Piscator, der auch Marlon Brando und Tony Curtis unterrichtet. Zuvor hat er bereits als Sänger Aufmerksamkeit erregt: Im legendären Club „Royal Roost“ begeistert er bei einem Kurzauftritt mit seiner unverwechselbaren Stimme das Publikum, Charlie Parker begleitet ihn am Saxofon. Seitdem gilt er als „Gob with the Throb“, was übersetzt ungefähr bedeutet „Der Matrose mit dem Rhythmus“.

Die Fünfzigerjahre werden Belafontes große Zeit. Von 1953 spielt er Hauptrollen in Kinofilmen, 1956 wird seine Platte „Calypso“ mit dem legendären „Banana Boat Song“ ein Monsterhit, obwohl er sich eher als Folksänger sieht. Bereits in jener Zeit wird dieser Mann zum Kämpfer für die Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen. Dabei geht er keinem Konflikt aus dem Weg: charismatisch, wortgewaltig, aber auch zornig und impulsiv. Erst Martin Luther King und eine Therapie machen einen ausgeglichenen, souveränen Aktivisten aus Belafonte, der zudem rechtzeitig der Drogenhölle den Rücken kehrt. Er hat Billie Holiday und andere Hochbegabte zugrunde gehen sehen – so will er nicht enden.

In den Sechzigern wird das Engagement als Bürgerrechtler mehr und mehr zu Belafontes eigentlichem Beruf. Er nimmt persönlich 1963 Präsident John F. Kennedy die Angst vor dem „Marsch auf Washington“, schleift dessen Bruder Bobby in die Armutsviertel der Schwarzen und überzeugt selbst den eingefleischten Republikaner Charlton Heston davon, die Bürgerrechtsbewegung zu unterstützen. Kurz: Belafonte sprengt mit einer Selbstverständlichkeit Barrieren. Er freundet sich mit Schwarzen und Weißen an, heiratet eine Jüdin und sorgt im April 1968 für einen Eklat. In einer Fernsehsendung singt er mit Petula Clark das Antikriegslied „On my Path“ – Clark berührt dabei seinen Arm. Es ist die erste „gemischtrassige“ Annäherung im US-Fernsehen. Mit Unterstützung seiner Duettpartnerin besteht er darauf, dass die Szene gegen den Willen des Hauptsponsors in der Show bleibt. Er setzt sich durch.

Gewalt hat Harry Belafonte zeitlebens abgelehnt, weshalb er später zum Beispiel Präsident George W. Bush wegen des Irakkriegs in drastischen Worten abwatscht. Niemand habe das Recht, Menschen zu töten, auch nicht im Irak. Punkt. So unmissverständlich bleibt dieser kämpferische König bis zu seinem Tod.

Belafonte studierte Schauspiel bei Erwin Piscator

1968 löste er mit Petula Clark einen Skandal aus

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