Der Nikolaustag steht im Berliner Auktionshaus Galerie Bassenge im Zeichen der Fotografie des 19. bis 21. Jahrhunderts. Hier kommen dann Arbeiten von so renommierten Künstlern wie dem Porträtspezialisten August Sander (1876-1964), dem Meister der Neuen Sachlichkeit, Albert Renger-Patzsch (1897-1966), oder dem italienischen Lichtbildpionier Leopoldo Alinari (1832-1865) unter den Hammer. Vertreten sind darüber hinaus Werke des Modeschöpfers und Fotografen Karl Lagerfeld (1933-2019), des US-Farbfotokünstlers William Egglestone, Jahrgang 1939, sowie des japanischen Meisters der Akt- und Fesselfotografie, Nobuyoshi Araki, der 1940 geboren wurde.
Ein breit gefächertes Angebot also; ein Katalog, der zahlreiche Stile und Handschriften abdeckt. Einige Angebote fallen allerdings aus ganz anderen Gründen auf. Zum Beispiel Los 4297. Unter dem nüchternen Titel „World War II/Jewish People in Poland“ (der Fotokatalog ist bei Bassenge grundsätzlich auf Englisch) werden Privataufnahmen von Wehrmachtssoldaten („Photographer unknown“) angeboten.
Sie zeigen jüdische Menschen in Polen in einer erbarmungswürdigen Verfassung, aufgenommen etwa in den Jahren 1939/40. Als Schätzpreis sind 600 Euro beziehungsweise 638 US-Dollar aufgerufen; die „Abgabe von Vorgeboten“ sei möglich, heißt es auf der Homepage. Der Begleittext informiert Interessenten, dass die deutschen Besatzer an ihre „kulturelle Überlegenheit“ gegenüber Polen und Juden glaubten und diese daher in einem „unvorteilhaften Licht“ abgelichtet hätten. Letzter Hinweis: „In very good condition“ – „In sehr gutem Zustand“ also. Die Abzüge wohlgemerkt, nicht die Menschen.
Los 4299 zeigt schließlich jüdische Zwangsarbeiter im Ghetto von Siedlce; der Schätzpreis liegt hier bei 750 Euro (798 US-Dollar). Es folgen weitere Angebote. „Diese Bilder sollten weder Handelsgut noch Ausstellungsgegenstand sein“, sagt Bernhard Purin, Direktor des Jüdischen Museums München, auf Anfrage unserer Zeitung. „Wer sie veröffentlicht, bedient nicht nur ein fachliches Interesse. Eigentlich sind diese Bilder ausschließlich Archivgut.“ Sein Haus vermeidet es, „offensichtliche Täterfotos“ zu zeigen – „wir wollen die Opfer nicht zu Ausstellungsobjekten machen“. Purin weiß natürlich, dass es einschlägige Händler gibt, die mit NS-Devotionalien Geschäfte machen. Dass diese Bilder nun ausgerechnet bei einem eigentlich doch seriösen Haus wie Bassenge angeboten werden, überrascht ihn. „Wer genau hinschaut, sieht auf diesen Aufnahmen, wie unwohl sich die Menschen fühlen, weil sie fotografiert werden – und weil sie nicht wissen, was sie erwartet.“ Wer in den Besitz solcher Fotos komme – etwa durch eine Erbschaft – solle diese am besten an eine Einrichtung wie das NS-Dokumentationszentrum abgeben.
Die Galerie Bassenge hat sich bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht zu dem Vorgang geäußert. Aufgrund einer anderen Auktion sei Geschäftsführer David Bassenge „momentan sehr eingebunden“, teilte das Haus auf Anfrage mit. » KOMMENTAR, SEITE 2