Im letzten Bild rüstet sich das Orchester zum großen Aufbruch. Marschiert erst wie von Ferne heran, um sich mit Bombast und Blech-Gepränge über die Via Appia zu wälzen. In der Isarphilharmonie wird das sogar noch flankiert von Fern-Trompeten und -Posaunen auf der Empore. Und schon bald spürt man in Hirn und Magengrube: Das ist ein falscher Triumph, zumindest ein anfechtungswürdiger.
Man muss diese Schlussszene aus Respighis „Pini di Roma“ allerdings so inszenieren wie Constantinos Carydis am Pult des BR-Symphonieorchesters. Als bedrohliches Aufbäumen aus dem Nachtdunkel, vielsagend, laut und gefährlich. Und das Ensemble wirft sich bei dem Kracher ins Zeug, auch schon zuvor bei Respighis „Fontane di Roma“, mit erlesenen Soli und einer Binnenspannung, die den neuen Chef Simon Rattle, wäre er dabei gewesen, mit Neid auf den Gast erfüllt hätte.
Carydis, früher Kapellmeister am Gärtnerplatz, ist mittlerweile ein freies Radikal der Szene. Egal, was er dirigiert, man erinnere sich nur an seinen „Idomeneo“ bei den Münchner Opernfestspielen, wird spektakulär gut. Ein stilistisch Polyglotter, der sich nun beim BR-Gastspiel dem Thema Nationalmusik annimmt. Einem zum Konzertanten veredelten Volkstum, komponiert von Vertretern der gemäßigten Moderne.
Das dampft nicht vor Konzeptschweiß, sondern wird zum ohrenöffnenden Erlebnis. Schon zu Beginn, in den „Vier Bildern“ für Orchester des Griechen Nikos Skalkottas (1904-1949), wenn die BR-Symphoniker lustvoll Farb- und Nuancenspiele nutzen, auch mal die XXL-Big-Band geben. Bei Respighi später ist alles kontrollierter Rausch. Es ist frappierend, wie Carydis die Feinheiten der Partituren behandelt, wie er sucht, findet und lichtet, wie er Mixturen verdeutlicht und auf die wunderbaren Soli vertraut, ohne je demonstrativ zu werden. Ein genauer, entschiedener Gestalter mit exzellentem Handwerk, der sowohl an kleinen Reglern drehen kann, als auch die Riesenformation zu Schnellkraft und Reaktionsstärke anstachelt.
Beide Respighi-Tondichtungen werden pausenlos verbunden durch „Air“ von Tōru Takemitsu, (1930-1996), das Henrik Wiese als wie von allem losgelöstes und doch greifbares Flöten-Solo spielt. Dazu gibt es noch die „Chants d’Auvergne“ von Joseph Canteloube (1879-1957), ins Orchestrierte vergrößerte Volkslieder, von Louise Alder pointiert und ohne vordergründige Operettenhaftigkeit gesungen. Und irgendwann denkt man sich: Im Grunde wünscht man sich alles von Carydis. Barock, Wiener Klassik, Romantik, Moderne. Was bedeutet: Der Mann muss dringend wiederkommen.