Ausgerechnet bei „Macbeth“ ist es wieder passiert: Während gestern Abend das blutrünstigste Drama Giuseppe Verdis über die Bühne des Nationaltheaters ging, rief die Gewerkschaft Verdi erneut zum Warnstreik auf. Die Vorstellung fand zwar statt, aber nicht wie von Regisseur Martin Kušej vorgesehen. Mit einem projizierten Bühnenbild, in Kostümen, aber fast ohne Szenerie. „In einer angepassten Form“, so formuliert es Serge Dorny.
Der Intendant der Bayerischen Staatsoper hat sich stellvertretend fürs Haus „total solidarisch“ erklärt mit den Streikenden. „Alle sind mit unglaublicher Leidenschaft bei der Arbeit. Aber ab einem gewissen Moment verliert man dieses Herzblut – wenn man am Ende des Monats auf die Gehaltsabrechnung schaut.“
Bekanntlich fordert Verdi für die Beschäftigten der Bundesländer 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro mehr pro Monat. Es geht dabei um den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TV-L). Intendant Dorny weist darauf hin, dass gerade im hochpreisigen München die Angestellten unterbezahlt seien. Im Vergleich zu anderen gewerkschaftlich Organisierten verlaufe dieser Streik allerdings fast unter dem Radar der Öffentlichkeit, wie er findet – abgesehen von jenen Besucherinnen und Besuchern, die in den davon beeinträchtigten Vorstellungen sitzen.
„Pflegekräfte oder Lokführer genießen mehr Aufmerksamkeit als die Beschäftigten an den Theater- und Opernhäusern“, sagt Dorny, weshalb sein Haus auch ungewöhnlich reagierte. An der Front zur Maximilianstraße hisste man eine „Streik“-Flagge, dazu sind noch mehrere Plakate zu sehen. Der hausinterne Zusammenhalt geht (nicht nur an der Bayerischen Staatsoper) so weit, dass auch die Beschäftigten aus dem Tarifbereich NV Bühne zum Solidaritätsstreik aufgerufen wurden.
Dorny rechnet vor, dass ein Theatermeister 3900 Euro pro Monat verdiene, wobei die vielen Wochenend- und Schichtdienste hier schon inbegriffen seien. Auf der anderen Straßenseite, an den kommunal organisierten Münchner Kammerspielen, gebe es für denselben Job 400 bis 600 Euro mehr. Was auch bedeutet: Den staatlichen Häusern droht die Abwanderung wichtiger Arbeitskräfte, die für die Realisierung der Vorstellungen notwendig sind.
Die Bezahlung der Bühnenbeschäftigten ist Sache der Bundesländer. Nächste Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst ist an diesem Donnerstag in Potsdam – auch danach ist davon auszugehen, dass immer wieder Vorstellungen streikbedingt ausfallen oder „angepasst“ werden müssen.