Beim Betreten des Prinzregententheaters fühlte man sich beinahe, als wäre man in der jüngsten Marthaler-Inszenierung gelandet. Mit den Nierentischen, dem tragbaren Kinder-Plattenspieler oder den Polstermöbeln und Lampen auf der Bühne, die ebenfalls aus den 1960ern überlebt zu haben schienen. Und spätestens als man die E-Gitarre und die Hammond-Orgel im Continuo entdeckte, war klar, dass es wohl kein gewöhnliches Weihnachtsoratorium werden würde.
Was das Hamburger Ensemble Resonanz am zweiten Adventssonntag präsentierte, war zwar eine unorthodoxe, aber keineswegs blasphemische Bearbeitung. Bachs Klassiker als intime Hausmusik im Freundeskreis, reduziert aufs Wesentliche und aufgrund der gerade einmal 15-köpfigen Besetzung vor allem in den Chor-Passagen gekürzt. Die großen Arien blieben selbstredend erhalten und wurden von Bariton Dominik Köninger ebenso stilsicher dargeboten wie von seinen Kolleginnen Hanna Herfurtner und Ida Aldrian. Die Erkenntnisse der historisch informierten Aufführungspraxis sind auch am Ensemble Resonanz nicht spurlos vorbeigegangen, das genau verstanden hat, welche Nummern ein Update verkraften und welche lieber nicht. Und so fügten sich sogar die E-Instrumente erstaunlich homogen ins Klangbild. Weil eben auch Michael Petermann an den Tasten und Gitarrist Johannes Öllinger ihren Bach höchst virtuos beherrschten und in der Arie „Ich will nur dir zu Ehren leben“ durch ihre Energie unter anderem auch Tenor Mirko Ludwig mit ins Grooven brachten.
Puristen mögen da vielleicht zusammenzucken. Aber wer sich darauf einließ, erlebte einen unglaublich lebendigen und vor allem durch und durch ehrlichen Bach. Etwa wenn die Musikerinnen und Musiker ihre Instrumente ruhen ließen, um in den Chorälen a cappella ihre Stimmen zu erheben. Oder wenn bei der Zugabe schließlich noch das Publikum emphatisch mit einstimmte. Näher dran am Geist der Adventszeit geht fast nicht.