PORTRÄT

Den Menschen im Blick

von Redaktion

Ein Treffen mit der Starnberger Filmemacherin Daria Kuschev

Trafen sich in der Hochschule für Fernsehen und Film: Daria Kuschev und Kulturredakteurin Katja Kraft. © Marcus Schlaf (2)

„Ich möchte den Menschen Hoffnung geben“: Daria Kuschev, ausgezeichnet mit dem Kulturpreis des Landkreises Starnberg.

Daria Kuschev mag Menschen. Das müsste sie gar nicht sagen. Man merkt es bei jeder Begegnung mit ihr. Und man spürt es in den Arbeiten, die die junge Starnberger Filmemacherin bisher gedreht hat. In ihrem Kurzfilm „Clowns Elegie“ zum Beispiel: In nur 25 Minuten fängt Kuschev alles ein, was das Leben ausmacht. Sie begleitet darin zwei Klinikclowns, wie es schon viele Autoren oder Filmemacher vor ihr getan haben. Dass ihre Elegie so stark nachwirkt, liegt an der klugen Auswahl von Zitaten, an Kuschevs Mut, auch die Stille auszuhalten, in herzzerreißenden Szenen hinzuschauen, ohne aus- oder bloßzustellen – und an ihrem Talent, die Menschen in ihrem Wesen zu erkennen.

Für all das wurde Daria Kuschev vor Kurzem mit dem mit 3000 Euro dotierten Kulturpreis des Landkreises Starnberg ausgezeichnet. „Sie stellt den Menschen immer in den Mittelpunkt ihres Schaffens“, lobte Laudatorin Christine Haupt bei der Preisverleihung. Ein Treffen in der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München, Kuschevs Alma Mater. Hier hat sie gelernt, das, was sie schon immer interessiert hat, zum Beruf zu machen. Als kleines Mädchen war die heute 33-Jährige ein Kind, das „sich am liebsten zu den Omis dazugesetzt hat“, erzählt sie und lacht herzlich. Damals, in Kasachstan, wo sie aufgewachsen ist. „Ich habe ihren Gesprächen zugehört, Fragen gestellt. Und in der Schule viel Theater gespielt. Geschichten zu erzählen und ihnen zu lauschen, das liebe ich.“

Mit 13 kam sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Doch dort, in Würzburg, war das mit dem Theater auf einmal vorbei. Und auch den Gesprächen der alten Leute konnte die junge Daria nicht mehr folgen. Vielleicht hat sie in dieser anfänglichen Sprachlosigkeit in der Fremde das erste Mal danach gesucht, was ohne Sprache geht. Was uns als Menschen über alle Grenzen und kulturellen Unterschiede hinweg verbindet. Denn heute ist Kuschev eine Meisterin darin, das Einende herauszustellen.

Besonders eindrücklich tut sie das in ihrem Film über die Klinikclowns. Bei deren Auftauchen todkranke Kinder lächeln, sich manches Mal richtig ausschütten vor Lachen. Und im Zuschauer die unbeantwortbare Frage wieder und wieder aufblitzt: Warum müssen solche jungen Geschöpfe schon so viel Leid erfahren? Bettlägerig, allein – „als schwer kranker Mensch bist du für diese Welt unwichtig. Dann interessieren sich nur die Wenigsten für dich. Bei Kindern hauen oft die Väter ab. Meist sind es nur die Mutter und Geschwister, die ein sehr krankes Kind noch hat“, sagt Kuschev.

Sie weiß das deshalb so genau, weil sie mit 17, 18 – der deutschen Sprache längst mächtig – begann, ehrenamtlich in Münchner Kliniken zu dolmetschen. Keine leichte Aufgabe für eine junge Frau. Denn dolmetschen auf der onkologischen Station heißt ja auch: Der Mutter eines Buben sagen müssen, was der Arzt gerade gesagt hat – dass das Kind nicht überleben wird. Dass man nichts mehr für es tun könne. „Diese Begegnungen waren Schlüsselmomente. Alle meine Filme beruhen auf persönlichen Erfahrungen.“

Eine bittere Erfahrung hat sie häufiger machen müssen: mit Ärzten, die befanden, dass man sich die Klinikclowns doch sparen könne. „Aber Gott sei Dank gibt es auch sehr viele Ärzte, die wissen, wie wichtig die Arbeit der Clowns ist – und die sich für deren Engagement einsetzen“, sagt Kuschev. Wer ihre „Clowns Elegie“ anschaut, versteht den Sinn hinter der Arbeit dieser fröhlichen Klinikgäste sofort. Wenn man sieht, wie die beiden Protagonistinnen Noriko und Julia in Palliativstationen und Kinderkliniken Vögelchen auf Fingerspitzen tanzen lassen, Musik in den sonst so sterilen Räumen zum Klingen bringen, wie da plötzlich Leben entsteht an einem Ort, an dem viel zu oft gestorben wird. Sobald Noriko und Julia mit ihren roten Clownsnasen im Gesicht auftauchen, ist da mit einem Mal so etwas wie Freiheit – weil sie eben nicht vom Krankenhauspersonal sind, bei dem es immer um Krankheit geht. Ohne Hemmungen und vogelwild kommen sie daher. Ganz ohne Worte. Ihre Sprache versteht ein jeder.

„Der Krankheit oder dem Tod ist es egal, woher man kommt“, sagt Daria Kuschev. Ihr gelingt es, die „Kranken“ wieder als Menschen zu zeigen. Bewusst hat sie sich für das Genre des Dokumentarfilms entschieden. Es ist ein Glück. Denn mit ihrer feinfühligen Art vertraut sie auf das Drehbuch, das das Schicksal schreibt. Es lohnt sich sehr, hinzusehen.
KATJA KRAFT

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