Sorgen für frischen Wind: Festivalleiter Christoph Gröner und Julia Weigl. © Joel Heyd
Wenn Kino für Gemeinschaft sorgt: Impression der Festival-Eröffnung 2024. © FOFS
Man hat jetzt Weitblick. Über Jahrzehnte residierten die Büros des Filmfests München und des ehemaligen Filmschoolfests Munich in der Sonnenstraße. Nun ist dort vollends Baustelle. Und man sitzt im „Pineapple Tower“ (auf Deutsch: das marode alte Post-Hochhaus bei der Paketposthalle). Achter Stock, Rundumsicht bis in die Alpen.
Dort empfangen das Führungsduo Christoph Gröner und Julia Weigl und ihr Team zur Präsentation der Neuerungen beim Festival of Future Storytellers. Nicht, um mit Panorama zu prahlen. Sondern um den neuen Geist hier spürbar zu machen. Die Bestätigung ihres Vertrags auch für das Nachwuchs-Festival nutzen Gröner und Weigl, um entschieden den Kurs auf Zukunft zu lenken. Nach der „Irgendwas mit Glamour“-Ära der Amtsvorgängerin ist da wieder eine vernünftige Vision. Die Namensänderung in „Festival of Future Storytellers“ (FOFS) ist kein Marketinggespinst. Hinter ihr steht die kluge Einsicht, dass eine reine Fokussierung auf akademische Ausbildungsstätten nicht mehr zeitgemäß ist. Es führen heute so viele Wege zum Filmemachen, die hier auch eine Bühne finden sollen.
„Open Doors“ heißt eine neue Kooperation mit dem Locarno Filmfestival. Dank der am 19. November ein Programm mit fünf afrikanischen Kurzfilmen zu sehen ist. Aber „Türen öffnen“ könnte ein Motto für das gesamte Festival sein, das vom 14. bis 22. November läuft. Stark ausgebaut ist das hochkarätige Programm an Podiumsgesprächen und Arbeitskreisen – diesmal auch mit spannender Querverbindung zu Games. Man knüpft ans Filmfest an: Zu Gast ist Nelly Ben Hayoun-Stépanian, Regisseurin von „Doppelgängers³“.
Und wenn man „Open Doors“ liest als „Offene Türen“, dann steht es auch für den Wunsch, das FOFS im Münchner Bewusstsein dezidiert als Publikums-Festival zu etablieren. Als Schaukasten für die Kunstform Kurzfilm – die eben mehr ist als nur Vorstufe. Und erstmals auch für Musikvideos, Live-Bandauftritte inklusive. Waren bisher die Programmblöcke stets kleine, bunt gemischte Wundertüten mit dem Hauptzweck der Jury-Besichtigung, gibt es die Filme nun erstmals auch publikumsfreundlich thematisch sortiert zu sehen.
Die HFF bleibt Haupt-Spielstätte, doch man will weg vom Eindruck, die Filmhochschule sei Veranstalter statt Kooperationspartner. Ihr Foyer soll durch eine Bar zum Begegnungsort werden. Und erstmals ist auch das Theatiner Kino als Spielstätte dabei.
In den neuen Büroräumen ist das Team endlich nicht mehr durch einen Innenhof getrennt. Und man spürt, dass das dem neuen Geist von Zusammenarbeit entspricht. Wo frische Ideen willkommen sind, gleich, wer in der Hierarchie sie hat. Panoramablick über München bedeutet freilich auch: Blick auf eine Stadt, die gerade wirkt wie eine einzige Baustelle. Und die fatal viel von ihrem Charme, ihrer Substanz und Seele verschachert an Investoren-Träume. Bei denen man nicht weiß, was schlimmer ist: Wenn sie bankrotte Baugruben hinterlassen oder wenn ihre geplanten Objekte verwirklicht werden. Eine Stadt, in der die Kultur jenseits der Prestige-Repräsentation fast nur noch in den Finanzierungs- und Genehmigungslücken stattfindet. Auch die neuen Filmfest-Büros sind eine Zwischennutzung. Befristet auf vier Jahre. Wie die ganze Münchner Kultur harrt man, was nach der Oberbürgermeisterwahl mit dem Etat sein wird. Aber bis dahin: Einfach weit nach vorne schauen.THOMAS WILLMANN
14. bis 22. November
Infos und Programm
unter future-storytellers.de.