Mandeln: Das Feuer im Hals löschen

von Redaktion

Jeder Schluck ist eine Qual, im Hals brennt es wie Feuer: Kommt auch noch Fieber dazu, sollte man an eine Mandelentzündung denken. Doch helfen dann wirklich nur Antibiotika? Und: Wann sollten die Mandeln besser raus? Hier lesen Sie die Antworten eines HNO-Experten.

VON ANDREA EPPNER

Im Herbst und Winter haben Viren und Bakterien leichtes Spiel: Wenn alle enger zusammenrücken, reicht oft ein kräftiger Nieser. Dann rasen tausende Tröpfchen voller winziger Angreifer durch die Luft. Kälte und trockene Luft tun ihr Übriges: Sie setzen den Schleimhäuten zu – die Abwehr bröckelt. Wer Pech hat, wacht dann bald mit feuerrotem Hals auf.

Doch ist das nun eine einfache Halsentzündung oder hat es die Mandeln erwischt? Und: Wie wird man das Feuer im Hals wieder los? Das verrät Ihnen unser Experte Prof. Martin Canis, Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.

Wie erkennt man eine Mandelentzündung?

Starke Halsschmerzen, die manchmal bis ins Ohr ausstrahlen, und Schluckbeschwerden sind häufige Beschwerden bei einer „Tonsillitis“, also einer Mandelentzündung. Diese müsse man von einer einfachen Halsentzündung, der „Pharyngitis“, unterscheiden, erklärt Canis. Bei Letzterer sei der Rachen rot und entzündet. Bei einer „Tonsillitis“ sind dagegen die Gaumenmandeln, die links und rechts davon liegen (siehe Grafik), betroffen. Oft sind sie rot, geschwollen, manchmal sieht man gelblich-weiße Eiterflecken. „Eine Tonsillitis geht eigentlich immer mit Fieber einher“, sagt Canis. Patienten fühlen sich abgeschlagen, manche haben Kopfschmerzen, selbst Kinder legen sich freiwillig ins Bett. Vergrößerte Mandeln können auch zu einer „kloßigen“ Sprache führen. Auch geschwollene Lymphknoten am Hals sind ein Hinweis.

Brauchen Betroffene immer Antibiotika?

Nein. Entscheidend ist, ob Bakterien oder Viren die Auslöser sind. Denn Antibiotika helfen nur, wenn Bakterien die Angreifer sind. Meist handelt es sich dann um Streptokokken. Dann bringen Antibiotika tatsächlich schnell Erleichterung – und senken auch das Risiko, dass sich andere anstecken: Schon 24 Stunden nach Behandlungsbeginn ist diese Gefahr gebannt. Doch: Nur etwa ein Drittel der Mandelentzündungen bei Kindern und gerade mal fünf bis 15 Prozent bei Erwachsenen gehen auf das Konto von Bakterien, sagt Canis. „Die allermeisten Mandelentzündungen sind viral.“

Wie findet man heraus, ob Bakterien oder Viren die Übeltäter sind?

Dabei hilft dem Arzt ein Punktesystem: Fieber, kein Husten und geschwollene Mandeln ergeben zum Beispiel je einen Punkt, macht zusammen drei – und ab drei Punkten spreche viel für eine bakterielle Entzündung, sagt Canis. Noch mehr Sicherheit bringt ein ergänzender Rachenabstrich, mit dem sich Bakterien nachweisen lassen.

Was kann man tun, wenn die Auslöser Viren sind?

„Bei einer viralen Tonsillitis helfen Antibiotika nicht“, betont Canis – und rät in dem Fall zu Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Paracetamol. Und vor allem zu Ruhe: Patienten sollten ein paar Tage daheim bleiben – schon allein, um nicht noch andere anzustecken. Zudem kann der Körper seine Kraft auf die Virenabwehr konzentrieren. Nach ein paar Tagen sollte der Arzt den Hals noch einmal kontrollieren.

Helfen auch Lutschtabletten oder Hausmittel?

Schneller wird man die Entzündung damit zwar nicht los. Aber sie helfen immerhin, die Beschwerden zu lindern. Dazu gibt es die klassischen Lutschtabletten, die eine Art örtliche Betäubung bewirken – und so die Schmerzen lindern. Was gerade Kinder freuen wird: einen ähnlichen Effekt hat Eis. Generell sei es hilfreich, die Schleimhaut feucht zu halten, rät Canis. Dabei helfen Lösungen zum Gurgeln, aber auch Salbeitee. Und: Schlucken ist weniger schmerzhaft, wenn man vorübergehend auf weiche Nahrung wie Suppen und Püree ausweicht.

Bei manchen Menschen folgt eine Entzündung auf die andere. Ist dann eine Operation ratsam?

Früher war die Antwort klar: Raus mit den Gaumenmandeln, egal ob beim Kind oder Erwachsenen. Diese „Tonsillektomie“ zählt auch heute noch zu den häufigsten Operationen. Allerdings: Ärzte seien hier deutlich zurückhaltender geworden, nachdem es in Österreich und Deutschland zu Todesfällen bei Kindern gekommen sei, sagt Canis. Daraufhin hätten sich medizinische Fachgesellschaften auf strengere Kriterien geeinigt. Demnach soll nur dann operiert werden, wer in einem Jahr mehr als sechs Mal die Diagnose einer bakteriellen Mandelentzündung bekommen hat, die mit Antibiotika behandelt werden musste. Bei drei bis fünf Mal sei die Operation eine mögliche Option. Allerdings sei es in dem Fall ratsam, zunächst zu beobachten, ob weitere Entzündungen folgen. „Sind es weniger als drei, würde man den Eingriff nicht empfehlen“, sagt Canis.

Was ist problematisch an der Mandelentfernung?

Häufigste Komplikation sind Nachblutungen. „Die Gaumenmandeln werden mit der Kapsel entfernt“, erklärt Canis. „Dazu wird die Schlundmuskulatur unter Vollnarkose freigelegt – und in dem Bereich verlaufen viele Gefäße, alles ist gut durchblutet.“ Mit Nachblutungen muss man daher nicht nur in den ersten 24 Stunden rechnen. Es kann auch danach noch zu späten Blutungen kommen, auch noch zwischen dem fünften und siebten Tag. Insgesamt komme es bei 4,5 Prozent der Patienten zu Nachblutungen. „Wobei nicht alle operativ nachversorgt werden müssen“, beruhigt Canis. Oft stoppt die Blutung von selbst, Kühlen unterstützt das noch.

Sind Kinder gefährdeter?

Ja. Sie haben insgesamt weniger Blutreserven, sind bei einer starken Blutung daher gefährdeter. Zudem kann das Blut im Hals in die Luftwege gelangen: Es besteht also die Gefahr, dass es eingeatmet wird. Vor allem aus diesen Gründen sei man bei Kindern zurückhaltender mit der OP geworden, sagt Canis. Und: „Bei Kindern vor dem 6. Lebensjahr machen wir kaum noch eine Tonsillektomie – sondern eher eine „Tonsillotomie“: Dabei werden die Mandeln teilweise entfernt. Das Blutungsrisiko ist dabei viel geringer. Allerdings könne sich der verbleibende Teil der Mandeln noch entzünden. Der Eingriff wird daher öfter durchgeführt, um große Mandeln zu verkleinern.

Ist man ohne Mandeln anfälliger für Infekte?

„Nein, bei Erwachsenen haben die Mandeln keine funktionelle Bedeutung mehr“, sagt Canis. Der Körper kommt dann also ganz gut ohne klar – zumal die Gaumenmandeln nur ein Teil des sogenannten lymphatischen Rachenrings ausmachen. Zu diesem gehören auch noch die beiden Rachenmandeln und die Zungengrundmandel. Sie reichen als erstes Bollwerk der Abwehr aus. Wichtig sind die Gaumenmandeln vor allem in den ersten Lebensjahren – und zwar für die Reifung des Immunsystems. „Der Mund-Rachen-Raum ist die Eintrittspforte für die meisten Keime“, erklärt Canis. Die Mandeln helfen hier beim Aufbau einer gesunden Abwehr. Im Alter von sechs bis zehn sind sie am größten, verkleinern sich später aber wieder. Und: „Gerade nach häufigen Mandelentzündungen sind sie so vernarbt, dass sie keinerlei Funktion mehr haben.“

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