Über Jahrzehnte sind Tod und Sterben fast unsichtbar geworden. Doch jetzt rückt ausgerechnet die Corona-Krise sie wieder in den Fokus. „Es wird für die Gesellschaft eine neue Normalität mit sich bringen, wenn fast ein Drittel ihrer Mitglieder in ein Alter kommt, in dem der Tod merklich näher rückt – wenn die Menschen zunehmend Angehörige und Freunde verlieren und die Gesellschaft vor der Aufgabe steht, mehr Sterbende zu versorgen“, heißt es in einer aktuellen Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung über den demografischen Wandel. Bezeichnenderweise trägt diese den Titel: „Auf ein Sterbenswort. Wie die alternde Gesellschaft dem Tod begegnen will“.
Ein Ergebnis fällt dabei besonders ins Auge: 76 Prozent möchten im Kreis von Vertrauten sterben. Gleichzeitig steigt aber die Zahl der Singlehaushalte. Und: Familien und Freunde wohnen immer öfter verstreut. Einen einsamen Tod zu sterben, das sehen mehr als sieben von zehn Menschen als weit verbreitetes Problem an.
Gefordert ist hier die Politik – besonders in den Kommunen. So stellt sich die Frage, ob ausreichend Ärzte, Krankenhäuser, Pflegekräfte und geeignete Wohnungen bereitstehen, um Ältere und Kranke sowie ihre Angehörigen zu versorgen. Auch bei Hospizdiensten und Palliativmedizin gibt es Lücken. „Insbesondere die Bewohner entlegener Regionen sehen Versorgungsdefizite vor Ort“, schreiben die Autoren.
Aber auch die Bürger sind gefragt: Die Gesellschaft braucht nach Einschätzung der Studie mehr Austausch – und neue Gesprächsräume über Tod und Sterben. Das seien noch „Nischenthemen“. Drei von vier Befragten beklagen, dass das Thema verdrängt wird. Den Bedarf könnten und sollten alle Akteure – von den Medien über Politik und Unternehmen bis hin zu Kirchen und Zivilgesellschaft – aufgreifen.
Zentral ist eine Forderung: Die Sterbebegleitung muss verbessert werden. Die Mehrheit der Menschen sei bereit, sich um sterbende Angehörige oder Freunde zu kümmern, allerdings ist jeder Vierte noch unentschlossen. Die Begleiter brauchen aber Wissen und auch Entlastung – palliative Dienste, das soziale Umfeld und Arbeitgeber sollten dafür sorgen. Ziel muss laut der Studie eine neue „Sorgekultur“ sein.
Der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Heiner Melching, erklärt, dass die Hospiz- und Palliativleistungen zu den Menschen kommen müssten – nicht andersherum. Doch gerade während der Corona-Pandemie sei dies schwieriger und stelle jetzt alle Beteiligten vor immense Herausforderungen (siehe auch Protokoll rechts). dpa/kna