München – Die Ärzte im Deutschen Herzzentrum München gelten als Innovationstreiber, wenn es darum geht, neue OP-Techniken einzuführen und weiterzuentwickeln. In der Herzchirurgie plant der neue Chefarzt Professor Markus Krane (46), der im Herbst die Führung der Klinik von Professor Rüdiger Lange (69) übernimmt (siehe Artikel unten), eine zusätzliche Hightech-Offensive. Herzstück ist der Einsatz eines OP-Roboters bei Operationen an den Herzklappen. „Dadurch können wir unsere Patienten sehr schonend und sicher operieren. Die Komplikationsrate ist äußerst gering“, berichtet Krane.
Im Herzzentrum hat der Fortschritt Tradition – insbesondere bei Eingriffen an den Herzklappen. Bereits 2007 gehörten die Münchner Herzspezialisten zu den ersten Medizinern weltweit, die künstliche Herzklappen mithilfe eines Katheters einsetzten. Das ist ein dünner biegsamer Kunststoffschlauch, der durch die Leiste eingeführt wird. Dadurch muss der Brustkorb des Patienten nicht geöffnet werden. „Dem ersten solcher Eingriffe am 26. Juni 2007 sind inzwischen über 4500 in unserer Klinik gefolgt“, erinnert sich Lange.
Das Einsetzen von Herzklappen mithilfe eines Katheters gilt einer der wichtigsten Fortschritte in diesem Jahrtausend, weil er es ermöglicht, auch hochbetagte und schwerkranke Patienten zu behandeln. Zuvor konnten beispielsweise Aortenklappen nur durch eine offene OP ersetzt werden – ein Eingriff, der für zahlreiche Patienten wegen der großen Belastung und des vergleichsweise hohen Komplikationsrisikos nicht infrage kommt.
Doch nicht nur bei Eingriffen an der Aortenklappe, sondern auch an der Mitralklappe zählte Lange zu den Pionieren. So führte er die weltweit erste totalendoskopische Mitralklappenoperation durch. Hier will sein Nachfolger Krane anknüpfen. Derzeit setzt er bei seinen Operationen im weltberühmten Krankenhaus der Yale University in New Haven /USA bereits erfolgreich einen OP-Roboter in der Mitralklappenchirurgie ein. Dabei wird die Mitralklappe – eine der vier Herzklappen – in den allermeisten Fällen auf schonende Weise repariert.
Die neueste Variante dieses innovativen Robotersystems ist in Deutschland noch nicht zugelassen, wird in den USA aber bereits erfolgreich eingesetzt. „In Yale nehmen wir bereits etwa 200 robotergestützte Eingriffe pro Jahr an Mitralklappen vor. Ich möchte gerne einen Beitrag dazu leisten, München zu einem Leuchtturm in diesem herzchirurgischen Bereich in Deutschland zu machen.“
Die Roboter-Technologie ermöglicht es, die Patienten minimalinvasiv und damit sehr schonend zu operieren. Die Operateure kommen mit einem sehr kleinen Zugang aus. „Der Schnitt auf der rechten Seite des Brustkorbs ist gerade mal drei bis vier Zentimeter lang“, berichtet Krane. Für den Eingriff wird das Herz stillgelegt. Seine Funktion übernimmt eine Herz-Lungen-Maschine, die durch die Leiste an den Blutkreislauf angeschlossen wird. Dank eines innovativen Kamerasystems an den Roboterarmen hat der Herzchirurg eine sehr gute Sicht. Die Roboterarme selbst steuert er mit Joysticks an einem Steuerzentrum etwas abseits des OP-Tischs. Sein Assistent überwacht direkt am OP-Tisch das Geschehen und reicht Hilfsmittel an, beispielsweise Fäden.
Roboter ermöglicht noch genauere OP
Ein entscheidender Vorteil besteht darin, dass die Chirurgen mithilfe des Roboters einfacher und damit noch genauer operieren können. Zum Hintergrund muss man wissen, dass die Ärzte bei herkömmlichen Eingriffen an der Mitralklappe über einen halben Meter lange Instrumente in der Hand halten müssen. Die Roboterarme hingegen arbeiten mit ihren Drehgelenken unmittelbar an der Mitralklappe.
Aber wie kann man sich den Unterschied als Laie vorstellen? Das erklärt Krane mit einem Beispiel aus einem japanischen Restaurant. „Stellen Sie sich vor, Sie müssen Sushi mit über einen halben Meter langen Stäbchen essen. Zwar ließe sich dies trainieren, und irgendwann können Sie es wahrscheinlich auch ziemlich gut. Aber das Sushi-stück direkt mit der Hand zu greifen und zu essen, ist einfacher und genauer. So empfinden wir Herzchirurgen das auch, wenn wir mit dem Roboter an der Mitralklappe operieren.“
Dank der schonenden Technologie erreicht die roboterassistierte Mitralklappenchirurgie eine sehr hohe Sicherheit. Das können Mediziner anhand sehr geringer Komplikationsraten belegen. Die Letalität – also die Wahrscheinlichkeit, an dem Eingriff zu sterben – liege bei deutlich unter einem Prozent, erläutert Krane.
Der Roboter, den die Experten verwenden, heißt Da Vinci – er ist vielen Patienten ein Begriff, wird auch bei Krebs-Operationen an der Prostata eingesetzt. Als das erste Da-Vinci-Modell vor über 20 Jahren auf den Markt kam, konnte es sich in der Herzchirurgie noch nicht durchsetzen. Doch inzwischen ist es stetig weiterentwickelt worden. „Zudem sind alle Reparaturverfahren an der Mitralklappe heutzutage hochstandardisiert“, erklärt Krane. „Der Roboter kommt nur noch dazu, um die Reparaturverfahren bzw. die einzelnen OP-Schritte zu vereinfachen.“
Neben dem Da-Vinci-Modell gibt es auch andere Roboter, die derzeit für chirurgische Eingriffe entwickelt werden. So hat zum Beispiel das US-Unternehmen Medtronic im letzten Oktober die Zulassung für das sogenannte Hugo-System bekommen.
OP auch bei beleibten Patienten möglich
In einem geschulten Team dauere der roboterassistierte Eingriff nicht wesentlich länger als eine herkömmliche OP an der Mitralklappe, so der designierte Chef der Herzchirurgie im Herzzentrum. Er schafft auch die Voraussetzungen, um sehr voluminöse Patienten oder Patienten mit einer schwierigen Anatomie zu operieren. Zudem ermöglicht es der Roboter, dass bestimmte Patienten erneut in minimalinvasiver Technik am Herzen operiert werden können, Spezialisten sprechen in solchen Fällen von Reoperationen.
Um Robotersysteme weiterzuentwickeln und auch eigene technische Lösungen zu erarbeiten, arbeitet das Herzzentrum eng mit den Experten von der TU München zusammen. So besteht bereits bei der Ausrüstung des digtalen Operationszentrums eine Kooperation mit dem Wissenschaftlerteam von Prof. Sami Haddadin, Inhaber des Robotik-Lehrstuhls und Direktor des Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI).