„Ängstliche Hunde haben manchmal einfach zu wenig erlebt“

von Redaktion

INTERVIEW Tierärztin Hannah Wendt über die Ursachen und das Training bei problematischem Verhalten

Ein Hund, der ständig Angst hat, kann im Alltag kompliziert werden. Zudem ist das Tier nicht glücklich und das sollte geändert werden!

Frau Wendt, wenn Hunde ängstlich sind, heißt es häufig, dass die Tiere schlechte Erfahrungen gemacht haben. Stimmt das?

Nicht unbedingt. Manchmal bedeutet es auch nur, dass sie gar keine Erfahrungen machen durften und alles neu und angsteinflößend ist. Gerade bei Hunden aus dem Ausland gibt es viele sehr ängstliche Tiere. Der Genpool von Straßenhunden wird von ängstlichen Hunden dominiert und diese Charaktereigenschaft vererbt sich fort. Der Grund ist einfach: Der ängstliche Hund, der sich bei Gefahr versteckt, überlebt und pflanzt sich fort. Der Draufgänger stirbt schneller.

Muss sich der Besitzer damit abfinden, einen ängstlichen Hund zu haben?

Nein, ganz im Gegenteil: Ein Hund, der ständig unter Stress steht, und Angst ist ja eine Form von Stress, hat einen erhöhten Cortisol-Level, der auf Dauer krank macht. Es ist nicht fair zu sagen, der Hund muss da jetzt durch. Der Hund ist nicht glücklich, er hat kein gutes Leben, und das sollte man ändern!

Was kann man als Besitzer tun?

Es gibt nicht den einen Tipp, der bei allen Tieren funktioniert. Angst äußert sich unterschiedlich. Manche Hunde ziehen sich zurück, andere werden aggressiv. Ein Biss kommt für manche Menschen völlig unvorbereitet, weil sie häufig die Signale der Körpersprache übersehen. Das passiert gerade mit kleinen Hunden, die schnell mal hochgehoben, irgendwohin gesetzt oder weggezogen werden.

Was sind das für Signale?

Hunde haben verschiedene Strategien. Wir sprechen da von den fünf F: Flight – sie flüchten, gehen aus der Situation heraus. Fight -– sie greifen an. Freeze – diese Hunde erstarren. Flirt – die Tiere drücken sich an den Menschen, schlecken ihn an. Fiddleabout – die Hunde zappeln herum. Auch an der Stellung der Ohren, eventuell aufgerissenen Augen oder einer eingezogenen Rute kann der Besitzer Angst erkennen.

Wie trainiert man Mut?

Grundsätzlich muss man den Auslöser finden, also den Gegenstand und die Situationen, die mit der Emotion Angst belegt sind. Dann muss man sich mit dem Hund mit dem Auslöser konfrontieren und ihn anschließend belohnen, mit Spielen, etwas zu fressen oder indem man sich entfernt. Ziel ist es, die negative Emotion, die z. B. mit roten Fahrrädern verbunden wird, in ein positives oder neutrales Gefühl zu ändern. Sodass der Hund irgendwann denkt: „Cool, ein rotes Fahrrad, jetzt darf ich spielen!“

Kann man immer etwas machen?

Je nachdem, wie schlimm es ist, kann man z. B. in Zusammenarbeit mit einem Tierarzt für Verhaltenstherapie auch mit angstlösenden Medikamenten arbeiten, damit ein Einstieg ins Training überhaupt möglich wird.

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