Rottenbuch – Tapsige Schritte, riesengroße Augen, das dünne Schwänzchen eifrig hin und her wackelnd: Bei dem Anblick junger Hunde schmilzt jedes Menschenherz. Die Winzlinge, die in der Welpenstation im Sonnenhof des Deutschen Tierschutzbundes aufgepäppelt werden, haben Fürsorge dringend nötig! Sie alle hatten einen traumatischen Start ins Leben und nun versucht das Team um Tierärztin Hannah Wendt (35), die Kleinen fit fürs Leben zu machen: Damit sie keine Sorgenhunde bleiben.
1027 Hunde wurden vergangenes Jahr laut des Deutschen Tierschutzvereins illegal gehandelt. Die Dunkelziffer ist deutlich höher. Die Welpen werden zu früh von der Mutter getrennt, ihr Immunsystem ist nicht ausgereift und kämpft schon gegen Würmer und Parasiten . Viele sind von Durchfällen geschwächt schwer krank.
Die geretteten Welpen kommen meist in örtlichen Tierheimen unter, doch nicht jedes hat eine Quarantänestation oder die personellen Möglichkeiten für diese Intensiv-Patienten. Dann springt der Sonnenhof vom Deutschen Tierschutzbund ein. Das Gelände im oberbayerischen Rottenbuch hat einen speziell ausgestatteten Neubau und ist bereit für Hundebabys in Not!
Tierärztin Hannah Wendt leitet die Einrichtung seit zwei Jahren. Sie führt durch die Welpenstation, aus der die letzten Bewohner gerade ausgezogen sind. Es waren zwei verängstigte Hündinnen, die in den ruhig gelegenen Räumen mit Fußbodenheizung ihren Nachwuchs zur Welt bringen durften.
„Die Tiere kamen aus einem Animalhoarding-Fall“, so Wendt. Dabei handelt es sich um Menschen mit psychischer Erkrankung, die Tiere um sich sammeln, diese aber nicht gut versorgen können. Mensch und Tier verelenden gemeinsam. „Eine Hündin hatte starke postpartale Aggressionen, das war sehr herausfordernd für uns“, so Hannah Wendt. Ein Junges wurde nicht angenommen und musste die ersten zwei Wochen alle drei Stunden mit der Flasche gefüttert werden. Der Neubau für die Jüngsten hat nicht nur einen Praxisraum, in dem Hannah Wendt die Hunde medizinisch versorgt, sondern auch eine Quarantänestation samt Schleuse, in der Schuhe und Kleidung gewechselt werden.
Neben Zimmern für die Tiere gibt es einen Raum mit Waschmaschinen und eine Futterküche: „In der Quarantänezeit, die bis zur Wirksamkeit einer Tollwutimpfung bis etwa zum Alter von 15 Wochen besteht, gibt es eine strikte Trennung zu allen anderen Hunden im Sonnenhof“, so Wendt. Da geht es nicht nur darum, dass die empfindlichen und kranken Welpen nicht mit Erregern der Umgebung in Kontakt kommen, sondern auch darum, die anderen Hunde zu schützen. Kürzlich war in einer Bremer Tierklinik ein Hund aus einem Welpentransport mit Tollwut infiziert, lebensgefährlich auch für Menschen!
Doch bei aller Sicherheit brauchen die Hundekinder in den prägenden ersten Wochen viel Zuwendung und Kontakt zu möglichst vielen Menschen bzw. Pflegerinnen und Pflegern. Die Mühe lohnt sich: Der gesamte Nachwuchs aus dem Animalhoarding-Haus ist durchgekommen und wurde vermittelt. Sogar die Hundemütter fanden nach der Zeit mit liebevoller Zuwendung und konsequentem Training im Sonnenhof ein neues Zuhause. Ebenso wie zwei Labrador-Jagdhunde-Mischlinge aus Bosnien, die von einer Urlauberin auf der Straße aufgelesen worden waren.
„Wir haben sie Drama und Fabel genannt und die Welpen sahen echt nicht gut aus“, so Wendt: „Mutter und Geschwister waren überfahren worden, die Frau wollte die Hunde dort nicht lassen und hat sie mitgenommen“, so Wendt. Das Immunsystem der fünf Wochen alten Tierkinder war überlastet: Sie hatten Würmer, Räude und am Schwanz kaum noch Fell. „Beide sind bei uns aufgeblüht“, so Wendt.
Die meisten Würmchen können gesund gepflegt werden, dann fängt die Arbeit erst richtig an. Tierärztin Hannah Wendt macht gerade eine Fortbildung zur Verhaltenstherapeutin für Tiere: „Im Idealfall erzieht die Hundemutter ihren Nachwuchs, die Tiergeschwister lernen im Spiel voneinander, in dieser frühen Zeit entwickelt sich die Beißhemmung.“ Doch Hündinnen aus den Vermehrungsstationen in Rumänien oder Bulgarien, den Ländern mit den meisten Welpenfabriken, sind ausgelaugt: „Diese Mütter können den Tieren nichts mitgeben“, so Wendt. Im Gegenteil: „Sie leben die Angst vor Menschen vor und reichen Stresshormone über die Muttermilch weiter.“ Für den Transport werden Welpen fitgespritzt, in Deutschland bei den neuen Besitzern angekommen, bleibt nach Tagen ein Häufchen Elend übrig.
Ein verantwortungsvoller Züchter wird die Tierkinder mit möglichst vielen Alltagssituationen, Geräuschen und Gerüchen konfrontieren. All das muss auf der Welpenstation oder von den betrogenen Käufern nachgeholt werden. „Es geht um taktile, visuelle, akustische und olfaktorische Reize!“, so Wendt: Im Sonnenhof lernen die Tiere verschiedene Untergründe kennen: „Wir arbeiten mit Matten und bringen auch gereinigte Kieselsteine ins Zimmer.“ Bei Geräuschen wird auf Tonbandaufnahmen zurückgegriffen. Vor dem Fenster fährt schon mal ein Mitarbeiter mit dem Fahrrad vorbei: „Die Hunde müssen so viele Erfahrungen wie möglich machen und diese mit etwas Positivem verbinden“, so Wendt. Dann stehen die Chancen gut, dass die Hunde nach ihrem schweren Start in ein glückliches Leben entlassen werden!