Herz-Check: Darauf kommt‘s an

von Redaktion

So wichtig ist die Untersuchung – Wie sehr sich Vorsorge lohnen kann

Belastungs-EKG: Sportwissenschaftler Emmanuel Adjei misst Dr. Siess Blutdruck.

Herz-Echo: Kardiologe Dr. Marin Kullik analyisiert die Ultraschallbilder.

Top-Ärzte beim Herz-Check im TUM Klinikum: Prof. Martin Halle (Mitte) untersucht Prof. Markus Krane (rechts) und Dr. Martin Siess. © Fotos: Dr. Elda Dzilic/DHM

München – Gesundheitsvorsorge als Herzensangelegenheit: Drei Top-Mediziner des TUM Klinikums erklären, was jeder selbst tun kann, um von Krankheiten verschont zu bleiben und länger zu leben. „Im Kern kommt es darauf an, Risikofaktoren und erste Anzeichen für Probleme frühzeitig zu erkennen“, betonen Dr. Martin Siess, Prof. Martin Halle und Prof. Markus Krane. Ein Schlüssel zum Erfolg sind regelmäßige Herz-Kreislauf- und Gefäß-Checks. Ein Überblick über die Chancen durch Vorsorge und die wichtigsten Untersuchungen.

Herzinfarkt, Herzschwäche, Schlaganfall & Co. fordern immer mehr Opfer. Etwa 1,4 Millionen Deutsche kommen jedes Jahr wegen Herz- und Gefäßleiden in Krankenhäuser, mehr als 200 000 Patienten sterben daran. Viele dieser Leidensgeschichten und Todesfälle ließen sich verhindern. Denn die meisten Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln sich schleichend über viele Jahre – sehr häufig auf der Basis von unbehandelten bzw. ignorierten Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht oder erhöhten Cholesterinwerten. Diese „stillen Killer“ verursachen in der Regel lange Zeit keine Beschwerden – oftmals erst dann, wenn sie bereits großen Schaden angerichtet haben. „Deshalb wissen die Betroffenen – abgesehen vom Rauchen – oft nichts von ihren persönlichen Risikofaktoren oder unterschätzen sie zumindest. Umso wichtiger ist es, regelmäßig zur Vorsorge zu gehen“, betonen Dr. Martin Siess, Prof. Markus Krane und Prof. Martin Halle.

Wie die Untersuchungen ablaufen und worauf es dabei ankommt, erklärt Halle unserer Zeitung bei einem Herz- und Gefäßcheck seiner beiden Kollegen. Krane leitet die Herzchirurgie im Deutschen Herzzentrum, das seit dem vergangenen Sommer mit dem Klinikum rechts der Isar das TUM Klinikum bildet. Siess ist dessen Ärztlicher Direktor. Mit dem gemeinsamen Untersuchungstermin wollen die drei Ärzte für die oft lebensrettenden Untersuchungen werben.

Wer sollte hingehen? „Im Prinzip jeder“, sagen die Mediziner des TUM Klinikums. Das Basis-Vorsorgepaket gibt‘s für gesetzlich Versicherte bereits ab 35 alle drei Jahre – erst mal in der Hausarztpraxis. Bei Auffälligkeiten können Herzspezialisten noch genauer hinschauen. Aber was kommt bei einem großen Herz- und Gefäß-Check eigentlich auf die Patienten zu? „Nichts Schlimmes“, verspricht Halle schmunzelnd. „Die Untersuchungen tun nicht weh und sind auch nicht gefährlich.“ Dabei geht es im Prinzip darum, das ganze System aus Herz, Lunge und Blutgefäßen unter die Lupe zu nehmen. Der Hintergrund: „Das Blut zirkuliert ja bis in die kleinen Haargefäße hinein und gelangt auch in die Lunge. Dort wird es mit Sauerstoff angereichert und durch den gesamten Körper gepumpt. Dieses System muss man als Einheit bewerten“, erläutert Halle. Experten sprechen von kardiopulmonaler Diagnostik.

Diese Fragen stellt Ihnen der Arzt

Mindestens genauso wichtig wie die körperliche Untersuchung und die Diagnostik mit Geräten ist die sogenannte Anamnese. Dabei stellt der Arzt seinem Patienten oft Fragen – unter anderem zu folgenden Aspekten:

Familiäre Vorbelastung: Viele Erkrankungen werden vererbt. Gab es bereits Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Familie? Sind Vater oder Mutter, Onkel oder Tante unter 55 Jahren verstorben, beispielsweise am plötzlichen Herztod? Oft wissen Angehörige gar nichts von einer unerkannten Herzkrankheit der Verstorbenen. Deshalb checkt Halle auch ungewöhnliche Szenarien ab: Lag ein naher Verwandter mal morgens unvermittelt tot im Bett? Hat in der Familie jemand einen unerklärlichen Verkehrsunfall gebaut? „Es könnten Herzrhythmusstörungen dahinterstecken“, erklärt Halle. Sein Tipp: „Wenn Herzkrankheiten in der Familie bekannt sind, dann sollte man den Arzt unbedingt darüber informieren – das gilt übrigens genauso auch für Krebserkrankungen.“ Wie groß der genetische Faktor ist, zeigt sich etwa beim Darmkrebs: Wenn ein Verwandter ersten Grades bereits daran erkrankte, ist das persönliche Risiko um das Vierfache erhöht.

Hinweise vom Augenarzt: „An den Minigefäßen der Netzhaut kann man erkennen, ob man über Jahre schon erhöhten Blutdruck hat. Bei Bluthochdruck sieht man oft geschlängelte Gefäße und zusätzlich bei Diabetes kleine Einblutungen. Das Auge ist praktisch eine Art Fenster zum Gehirn. Dadurch lassen sich Gefäßveränderungen oft bereits erkennen, bevor sie Symptome verursachen, etwa Vorboten für eine vaskuläre Demenz.“ Auch ein erhöhtes Schlaganfallrisiko kann sich abzeichnen.

Alltag des Patienten: Die Gretchenfrage, wenn es um Herz- und Gefäß-Gefahren geht: Rauchen Sie bzw. haben Sie früher mal geraucht? „Rauchen ist immer noch der größte Risikofaktor, gefolgt von Bluthochdruck“, betont Halle. Und wie schaut es mit dem Liebesleben aus? Wenn Männer Schwierigkeiten mit der Erektion haben, steckt möglicherweise ein Gefäßerkrankung dahinter – es könnte sogar ein Hinweis auf eine Koronare Herzkrankheit (KHK), also Arterienverkalkung, und schlimmstenfalls auf einen Herzinfarkt sein. „Erektionsstörungen sind auch ganz typisch bei Diabetikern“, weiß Halle. „Deshalb sollte man das Thema offen ansprechen.“ Weitere Fragen betreffen die körperliche Leistungsfähigkeit bzw. äußerliche Merkmale für mögliche Herz- und Gefäßprobleme: Geraten Sie beim Treppensteigen leicht aus der Puste oder bekommen Sie Brustschmerzen, wenn Sie sich anstrengen? Poltert es im Brustkorb oder wird Ihnen schwindlig? „Dann könnten Herzrhythmusstörungen die Ursache sein.“ Oder haben Sie leichte Unterschenkelödeme, also dicke Knöchel? Schnüren die Socken ein? „Dann könnte die Pumpfunktion des Herzens schon etwas eingeschränkt sein“, so Halle. Wer weniger Haare an den Unterschenkeln aufweist als am restlichen Bein, dort druckempfindlich ist und sich pelzig anfühlt, hat möglicherweise infolge von Durchblutungsstörungen schon mit Schädigungen der Nervenendigungen zu kämpfen. Das kommt vor allem bei Diabetikern öfter vor.

Das Hörgerät fürs Herz

Der Klassiker: Der Arzt setzt das Stethoskop an die Brust, eine Art Hörgerät fürs Herz. „Uns interessieren vor allem die Herzklappen – insbesondere in fortgeschrittenem Alter ab 60 Jahren. Die Klappen können verkalken, Engstellen bilden oder undicht werden“, so Prof. Krane, der mit seinen Kollegen im Herzzentrum jedes Jahr 1700 Eingriffe an Herzklappen vornimmt. „Heute können wir vielen Patienten auch mit minimalinvasiven Eingriffen helfen“, berichtet der Chef der Herzchirurgie (siehe Kasten). „Bei Engstellen hört man mit dem Stethoskop ein pfeifendes Geräusch, bei Undichtigkeit ein bandförmiges Rauschen“, weiß Präventionsmediziner Halle. Auch die Halsschlagader muss auf Engstellen gecheckt werden, ebenso wird Puls an den Füßen getastet, um mögliche Durchblutungsstörungen zu enttarnen.

Das Blut als Frühwarn-System

Wenn der Arzt im Labor das Blut untersuchen lässt, geht es ihm vor allem um einige Basiswerte zu den Risikofaktoren. Dazu gehört der Langzeitblutzuckerwert mit der Bezeichnung HbA1c. Er liefert Hinweise auf Diabetes und Vorstufen der Erkrankung (Prädiabetes). Auch das Cholesterin wird geprüft. Ist der LDL-Wert erhöht, steigt das Risiko für gefährliche Cholesterinablagerungen in den Gefäßen. Zudem können Entzündungswerte wie das hochsensitive CRP Hinweise auf unterschwellige Entzündungen im Körper liefern. Bei einer Urinkontrolle prüft der Arzt mithilfe eines Teststreifens, ob Eiweiß ausgeschieden wird. „Das könnte auf eine Schädigung der kleinen Gefäße in den Nieren hindeuten“, erklärt Halle.

Das EKG fühlt dem Herzen auf den Zahn

Durch ein Elektrokardiogramm (EKG) verschafft sich der Arzt einen ersten Überblick zu den elektrischen Strömen des Herzens: Schlägt das Herz regelmäßig oder gibt es Anzeichen für eine Herzrhythmusstörung? Er sieht Alarmsignale für chronische oder auch akute Durchblutungsstörungen – schlimmstenfalls für einen Herzinfarkt. Das EKG liefert aber auch erste Hinweise auf Schäden am Herzen und Herzschwäche. Die nächste Stufe nach dem sogenannten Ruhe-EKG im Liegen ist das Belastungs-EKG. Dabei strampelt der Patient meist auf einem Trimmradl, neudeutsch Ergometer genannt. „Weil das Herz unter Stress gerät, pumpt es schneller“, berichtet Halle. „Gefäße, die eventuell durch Cholesterin-Plaques bereits zu 50 Prozent eingeengt sind, funktionieren in Ruhe oft noch scheinbar einwandfrei. Aber unter Belastung kommen die Durchblutungsstörungen ans Licht. Der Herzrhythmus kann aus dem Lot geraten, mitunter kommt es zu Extraschlägen.“

Ultraschall-Bilder von Herz und Gefäßen

Bei einem Herz-Ultraschall setzt der Arzt einen Schallkopf auf die Brust, es entsteht keine Strahlung. Damit vermisst der Arzt praktisch das Herz und checkt dessen Funktion. Er sieht beispielsweise, ob die Herzhöhlen vergrößert sind, wie stark es pumpt und ob die Klappen undicht oder verengt sind. „Mit dem gleichen Ultraschallgerät lassen sich auch Gefäße beurteilen – vor allem die Schlagadern.“ An der Aorta können sich gefährliche Aussackungen bilden, die Aneurysmen genannt werden. „Insbesondere alle Männer über 65, die geraucht haben, sollten zu einer Bauchultraschalluntersuchung gehen. Sie haben ein stark erhöhtes Risiko für ein Bauchaortenaneurysma“, warnt Halle. Mit einer Ultraschall-Variante namens Carotis-Doppler kann der Arzt die Halsschlagader untersuchen. „Im Laufe des Lebens nimmt die innere Wandschicht der Gefäße zu. Das kann man messen. Wenn im Ultraschall weiße Flecken leuchten, werden Kalkablagerungen sichtbar. Sie zeigen fortgeschrittene Veränderungen oder Einengungen.“

Lungenfunktion und Leistungsdiagnostik

Bei einem Lungenfunktionstest erkennt der Arzt unter anderem Schäden an dem Atemorgan, er spricht dann von strukturellen Veränderungen. „Man sieht beispielsweise, ob der Patient viele Jahre lang geraucht hat. Bei Nichtrauchern ist eine solche Untersuchung ohne Verdacht auf ein Problem nicht zwingend nötig“, sagt Halle. Wer gerne Sport treibt oder nach längerer Pause wieder mit dem Training beginnen möchte, kann mit weiteren Untersuchungen seine optimale Trainingsbelastung ermitteln lassen. Dazu gehören der Laktattest und die Bestimmung der Blutgase (Spiroergometrie). Halles Rat an alle Untrainierten: „Nicht einfach losrennen und verausgaben, sondern vorher zu einer sportmedizinischen Untersuchung gehen. Manchmal kann es sogar nötig sein, erstmal ein Medikament einzunehmen, um beispielsweise gefährliche Blutdruckspitzen unter Belastung zu vermeiden.“
ANDREAS BEEZ

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