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Allianz kauft in Großbritannien zu

von Redaktion

von thomas magenheim-hörmann

München – Die Gewinne der Allianz steigen und nun kann Konzernchef Oliver Bäte endlich auch zukaufen. Nachdem sich viele Akquisitionsgerüchte in Luft aufgelöst hatten, übernimmt der Assekuranzriese nun in zwei Schritten bis Ende 2019 insgesamt 70 Prozent am britischen Sachversicherer Liverpool Victoria (LV) für rund 770 Millionen Euro. Damit werde die Allianz zum zweitgrößten Sachversicherer Großbritanniens, betont Bäte.

Noch wichtiger sind aber die Signale, die er damit aussendet. Denn LV ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) – eine spezielle Rechtsform, die nur für Versicherungen zulässig ist. Der Versicherer beschäftigt mehr als 6000 Menschen und zählt mehr als 5,8 Millionen Kunden, davon sind 1,1 Millionen Mitglieder. Das Unternehmen ist der drittgrößte Autoversicherer in Großbritannien.

Bäte sieht LV als Modellfall. Er will sich mit weiteren solchen Wettbewerbern verbünden, was bisher als Tabu galt. „Die Grenzen werden sich auflösen“, sagt der Allianz-Boss. Er verordnet dem Traditionskonzern derzeit einen Kulturwandel inklusive Hinwendung zu Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit. Erfolgreichster Vertreter dieser Spezies in Deutschland ist Huk Coburg. Die Franken haben der Allianz in Deutschland längst die Marktführerschaft in der Kfz-Versicherung abgejagt. Konzerne wie Allianz und Versicherungsvereine wie Huk galten bislang als zwei Welten, auch wenn sie gleiche Märkte bearbeiten.

Bäte sieht die Konkurrenz nun als Partner oder wie im Fall der LV als Übernahmeziel, auch wenn er die geplante Transaktion als Gemeinschaftsunternehmen bezeichnet. Sein Haus könne Versicherungsvereinen zum Beispiel IT-Leistungen oder Know-how für Kapitalanlagen bereitstellen, erklärte Bäte. Wen er konkret im Auge hat, ist noch geheim.

Beim Anlegen von Kapital hätte die global aktive Allianz oft lokal verhafteten Versicherungsvereinen einiges zu bieten. Das belegt die Wiederauferstehung des Allianz-eigenen US-Vermögensverwalters Pimco. Nachdem dort vor drei Jahren der Abgang von Starinvestor Bill Gross für eine tiefe Krise gesorgt hatte, brachte das zweite Quartal 2017 mit Mittelzuflüssen von fast 52 Milliarden Euro ein starkes Comeback.

Der Zufluss sei ein historisches Allzeithoch, jubelte Allianz-Finanzchef Dieter Wemmer. Die schwer vorstellbare Summe von 1,4 Billionen Euro beträgt das Volumen der für Dritte verwalteten Gelder nun wieder. Das ist zwar noch ein gutes Stück vom einstigen Höchststand von 1,9 Billionen Euro entfernt. Aber der Trend geht wieder deutlich in die richtige Richtung – und das in allen Geschäften.

Noch stärkere Gewinnsteigerungen als Pimco liefert nach radikalem Strategieschwenk das Geschäft mit Lebens- und Krankenpolicen. Hier sind die operativen Gewinnbeiträge im ersten Halbjahr um fast ein Viertel auf insgesamt 2,3 Milliarden Euro gestiegen. Die Allianz punktet in Deutschland mit Lebenspolicen, die keine festen Garantiezinsen mehr versprechen. Damit fährt das Unternehmen gut und das tun zumindest bislang auch die Versicherten.

Größtes Allianz-Standbein bleiben Schaden- und Unfallpolicen und das ebenfalls mit einem Aufwärtstrend. Unter dem Strich bedeutet das nach sechs Monaten 2017 einen um 18 Prozent auf gut 3,8 Milliarden Euro gestiegenen Halbjahresüberschuss bei zugleich um 2,3 Prozent auf gut 66 Milliarden Euro verbesserten Umsätzen.

Letzteres ist auch gedämpft, weil die türkische Regierung unter Recep Tayyip Erdogan der Assekuranz ein Ei ins Nest gelegt hat. Kfz-Versicherer mussten in der Türkei ihre Versicherungsbeiträge auf Befehl der Regierung um 30 Prozent kürzen. Die Allianz ist türkischer Marktführer bei Kfz-Policen.

Ein Verlierer droht indessen auch das Allianz-Personal zu werden, nachdem zuletzt digitalisierungsbedingt in zwei Schritten bereits der Abbau von insgesamt 1000 heimischen Jobs angekündigt wurde. Im Zeitalter der Digitalisierung bleibe Restrukturierung eine Daueraufgabe, sagte Bäte. „Die Allianz wird weiter umbauen und auch die eine oder andere Restrukturierung wird kommen“, stellte der Konzernchef klar. Die 140 000 Allianzer dürften das eher mit Schrecken hören.

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