Seit er als Vampir in der „Twilight“-Saga weltberühmt wurde, hat Robert Pattinson vorwiegend mit berühmten Autorenfilmern gedreht – darunter David Cronenberg („Cosmopolis“), Werner Herzog („Königin der Wüste“), Anton Corbijn („Life“) und James Gray („Die versunkene Stadt Z“). Ab Donnerstag ist er in Claire Denis’ schrägem Sci-Fi-Drama „High Life“ im Kino zu sehen. Beim Filmfestival von San Sebastián sprachen wir mit dem 33-jährigen Briten.
Was hat Sie daran gereizt, einen Schwerverbrecher zu spielen, der mit seiner Tochter in einem Raumschiff ziellos durchs All treibt?
Ich wollte unbedingt mit Claire Denis arbeiten, denn ich liebe ihren bizarren Humor und bewundere ihre Dreistigkeit. Sie ist zwar schon 73, aber noch immer ein kleiner Punk: Mit ihren provokanten Filmen zeigt sie dem Publikum den Stinkefinger. Immer wieder hat sie das Tabuthema Inzest angepackt. Die Rolle selbst hat mich überhaupt nicht gereizt. Sie war auch gar nicht gut geschrieben.
Inwiefern?
Es gab keine Figurenzeichnung und nicht die geringsten Hintergrundinformationen. Auch auf Nachfrage bekam ich von Claire keine Antworten. Ich hatte richtig Schiss, weil ich meinte, ich sollte wenigstens die Vorgeschichte dieses Knackis kennen und wissen, was er verbrochen hat. Aber dann wurde mir klar: Es ist völlig wurscht.
Wieso?
Es ging Claire nicht um eine stimmige Charakterisierung. Wir haben einfach Tag für Tag herumimprovisiert und versucht, interessante Momente zu finden. Meist musste ich eh nur stumm irgendwelche Dinge verrichten oder endlose Korridore entlangirren. Ich war unsicher, weil ich befürchtete, das wäre fürs Publikum zu langweilig, und oft dachte ich: Das ist doch total bescheuert, was du hier tust. Letztlich habe ich darauf vertraut, dass Claire im Schneideraum daraus etwas Vernünftiges basteln würde.
Wie war die Zusammenarbeit mit Juliette Binoche, die in „High Life“ eine durchgeknallte Ärztin spielt?
Toll. Ich liebe Juliette, sie ist einfach saucool. Denken Sie nur an ihre groteske Masturbationsszene in unserem Film: Kaum eine Kollegin hätte sich getraut, das zu drehen. Am Set haben wir uns kaputtgelacht. Und unsere gemeinsame Sexszene war eine fast surreale Erfahrung! So etwas erlebt man garantiert nur einmal im Leben.
Die meiste Zeit in „High Life“ sieht man Sie mit Ihrer kleinen Filmtochter. Wie fanden Sie es, mit einem Baby zu agieren?
Ursprünglich hatten wir für die Rolle eineiige Zwillinge engagiert. Am Abend vor dem ersten Drehtag traf ich sie, um sie an mich zu gewöhnen. Aber sobald ich auch nur in ihre Nähe kam, schrien sie wie am Spieß. Zwei Stunden lang versuchte ich, mit ihnen zu spielen – keine Chance. Da rief ich meinen alten Freund Sam an, dessen kleine Tochter Scarlett mich schon kannte, und fragte ihn: „Hast du in den nächsten beiden Wochen schon was vor?“ Er kam noch in derselben Nacht mit ihr zu mir, und Scarlett war vollkommen entspannt. Es war sehr süß, weil sie buchstäblich vor der Kamera laufen lernte. Das Drehbuch suggeriert am Ende ein inzestuöses Verhältnis zwischen mir und meiner Filmtochter, doch dank Scarlett wurde die Beziehung schließlich viel unschuldiger – immer noch seltsam, aber nicht mehr so seltsam.
Ihr Kollege Adam Driver hat mal erzählt, dass er sich regelmäßig übergeben muss, wenn er sich auf der Leinwand sieht. Geht es Ihnen auch manchmal so?
Bei meinem allerersten Film wurde ich von einem anderen Darsteller synchronisiert. Das fand ich ziemlich gruselig. Und bei der Weltpremiere des ersten „Twilight“-Films waren die hysterisch kreischenden Fans so irre, dass ich eine Panikattacke bekam. Aber speien musste ich noch nie. Das Publikum offenbar schon: Bei der „High Life“-Premiere in Toronto verließen die Zuschauer in Scharen angewidert den Saal. Sie riefen: „Pfui! Widerlich! Zum Kotzen!“
Nehmen Sie solche Reaktionen persönlich?
Nein. Wenn ich etwas liebe oder hasse, ist es mir völlig schnurz, was andere Leute denken.
Haben Sie Wunschrollen, die Sie noch gerne spielen würden?
Ich habe seit Jahren Interesse an einem Inzest-Film und dachte, ich hätte ihn in „High Life“ gefunden. Nachdem das nun nicht so richtig geklappt hat, bin ich immer noch verzweifelt auf der Suche nach einer Inzest-Geschichte. Außerdem möchte ich unbedingt einen Tanzfilm drehen. Ich finde es schade, dass ich nicht Rudolf Nurejew in dem Biopic „The White Crow“ von Ralph Fiennes spielen durfte. Mein Agent meinte: „Du spinnst wohl! Wie willst du denn den größten Balletttänzer aller Zeiten verkörpern? Du kannst doch überhaupt nicht tanzen!“
Guter Einwand.
Ja, aber ich meinte: „Mit neun Monaten hartem Training könnte ich das schaffen!“ Natalie Portman hat für „Black Swan“ auch monatelang trainiert. Allerdings muss ich zugeben, dass sie im Gegensatz zu mir wenigstens schon die passende Figur hatte. Doch mich reizt es einfach, wenn etwas buchstäblich unmöglich scheint, wenn ich hundertprozentig der falsche Mann für einen Job bin.
Sind Sie etwa auch ein kleiner Punk?
Nein, ich bin einfach privat ein solcher Langweiler, dass ich im Beruf ein paar interessante Herausforderungen brauche. Etwas, das ich schon kann, finde ich nicht verlockend. Am wohlsten fühle ich mich, wenn ich keinen blassen Schimmer habe, wo ich überhaupt ansetzen soll, um eine Aufgabe zu lösen.
Haben Sie keine Angst, sich zu blamieren?
Doch, aber aus einer Blamage kann man wenigstens etwas lernen. Viel mehr fürchte ich mich davor, meine eigenen Erwartungen zu enttäuschen: Zu merken, dass ich gar nicht so gut bin, wie ich dachte – das ist für mich das Schlimmste. Wenn du jedoch von vornherein meinst, du würdest mies sein, wirst du meistens positiv überrascht.
Woher wissen Sie, ob Sie gut sind?
Das weiß man nie. Manchmal schleiche ich abends vom Set in dem Glauben, ich hätte nur Schrott abgeliefert – und hinterher sind alle begeistert. Wenn du aber denkst, dass du fürchterlich warst, und alle anderen das auch finden, dann ist das wirklich ein beschissener Tag!
Das Gespräch führte Marco Schmidt.