Die Zukunft des Münchner Hauses der Kunst (HdK) ist noch immer ungeklärt. Sie steht zwar nicht auf der Kippe, aber, was schlimmer ist, die Öffentlichkeit hat längst ihr Interesse an der Nazi-belasteten und zugleich Nachkriegs-ruhmreichen Institution an der Prinzregentenstraße verloren. Kaum jemand diskutiert über die dortigen Ausstellungen, geschweige denn über die Sanierung und die folgende Neuausrichtung, die ohne Enthusiasmus und zündende Ideen geplant wird.
Es stellen sich drei dringliche Hauptfragen zum Haus der Kunst: Wie entwickelt sich die künstlerische Ausrichtung? Wie entwickelt man ein aufregendes, für jeden spannendes Haus der Künste? Und wie entwickelt sich momentan die Aufklärungsarbeit an der schwer belasteten Personal- und Finanzsituation? Die Antwort auf die dritte Frage kann nur sein, alle Fehler und Vergehen, Versäumnisse und Verfilzungen transparent zu machen. Denn ohne eine bereinigte Situation gibt es für das HdK keine Zukunft.
Vor etwa einem Jahr deckte unsere Zeitung auf, dass ein Mitglied der vom Verfassungsschutz beobachteten Scientology-Sekte in der Ausstellungshalle arbeitet – an entscheidender Stelle, nämlich als Personalchef. Damals warfen die SPD-Landtagsabgeordnete Isabell Zacharias und Ex-Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU) vor, untätig geblieben zu sein. Bereits 2015 sei der Aufsichtsrat – das Haus der Kunst wird in Form einer Stiftung geführt – informiert gewesen. Abgelöst wurde der Scientologe erst im März vergangenen Jahres. Spaenle als Aufsichtsratsvorsitzender wird seitdem heftig kritisiert. Nicht nur weil man jenen Personalverwalter wohl widerrechtlich als „externen Dienstleister“ akzeptiert habe, sondern auch, weil der Minister bis heute die Durchleuchtung der verfahrenen Situation nicht energisch und offen genug vorantreibe. So konstatierte Zacharias im Gespräch mit unserer Zeitung: „Zu den heiklen Fragen schwurbelt Spaenle seit Monaten nur rum.“
Mit der Entlassung des „Dienstleisters“ kehrte indes keine Ruhe im Haus der Kunst ein. Wohl deswegen gab Heubisch den Vorstandsvorsitz des Vereins Freunde Haus der Kunst auf, den nun der Jurist Friedrich-Michael Barnick ausfüllt. Im Personal rumorte es weiter, weil Vorwürfe erhoben wurden, dass es zu sexuellen Übergriffen gekommen sei. Auch diese schreckliche Angelegenheit würde im Aufsichtsrat besprochen und harre weiter der Aufklärung, wird in der Kunstszene kolportiert. Das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst möchte durch seinen Sprecher Ludwig Unger indes „zu anhängigen und laufenden Verfahren keine Auskunft geben“. Das Problem bei der Aufklärung des Missbrauchs sei, so Insider, dass die Betroffene so viel Angst habe, dass sie nicht aussagen wolle. Das könnte sich nun ändern.
Dem kaufmännischen Geschäftsführer Marco Graf von Matuschka – neben Okwui Enwezor als künstlerischem Geschäftsführer – war im Herbst Stefan Gros an die Seite gestellt worden. Im Haus der Kunst waren neben dem Missbrauch erhebliche finanzielle Verwerfungen zutage gekommen: nicht nur weil Enwezors Herzensangelegenheit, die Schau „Postwar: Kunst zwischen Pazifik und Atlantik, 1945-1965“ (2016), enorm teuer und enorm defizitär war. Zum Ende des vergangenen Jahres musste von Matuschka gehen. Viele Mitarbeiter und der Betriebsrat haben inzwischen Hoffnung geschöpft, weil Gros aufräumt. Zu einem Gespräch mit unserer Zeitung war er nicht bereit. Auch das Ministerium zieht sich auf die Sprachregelung zurück, dass „personalbezogene Sachverhalte der Vertraulichkeit unterliegen“, man dazu keine Fragen beantworten werde.
Derzeit wird Gros vom Kunstministerium bezahlt, der Vertrag läuft allerdings nur bis Ende Februar. Stefan Gros wäre ideal für den Posten des kaufmännischen Geschäftsführers. Spaenle müsste in der Sache dringend entscheiden. Und auch Isabell Zacharias unterstreicht, dass „wir jemanden brauchen, der zuverlässig und fest die kaufmännischen Geschäfte im Haus der Kunst führt“. Der erfahrene Finanzexperte hat sich darüber hinaus die verworrenen juristischen Verbindlichkeiten vorgenommen, wie zu hören ist. Er hat eine neue Kanzlei beauftragt, die unvoreingenommen die alten Verträge überprüft.
Es liegt viel an, was Minister Spaenle zu ordnen hat. Er muss vor allem Klarheit schaffen: Zunächst in der Frage, wann das Geld eintrifft, ohne das der Ausstellungsbetrieb nicht zu realisieren ist. Das Ministerium unterstreicht, dass der Freistaat als Hauptgesellschafter des HdK die Mittel im bisherigen Umfang gebe und für den Nachtragshaushalt 2018 eine Erhöhung beantragt habe. Ende Februar werde der Landtag entscheiden. Und auch auf die traurige Frage, wie man Enwezor unterstützt, muss der Minister eine Antwort finden. Der renommierte Kurator (Documenta, Biennale in Venedig) ist sehr krank. Daher bräuchten er und das Haus der Kunst dringend einen Stellvertreter, zumal der aktuelle Hauptkurator Ulrich Wilmes in absehbarer Zeit in Rente geht. Hier darf man nichts aussitzen, sonst verliert die Galerie noch mehr an Ansehen.
Das Kunstministerium erklärte unserer Zeitung dazu lediglich, dass es eine „dauerhafte Erweiterung der Geschäftsführung um einen kaufmännischen Geschäftsführer“ geben werde. Die „Organisationsstruktur“ werde analysiert, und „Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung werden anschließend über die weiteren Weichenstellungen beraten und entscheiden“. Das heißt offenbar, dass Spaenle nicht die komplette Führungsebene austauschen möchte. Er lobt Enwezor samt Team und betont, dass dessen Vertrag bis 2021 laufe. » Kommentar, Seite 2