Der Club der Überlebenskünstler

von Redaktion

Seit mehr als einem Jahr geschlossen: So kommen Münchens Party-Macher durch die Krise

VON LEONIE BILLINA

Wo sonst Partygänger bis tief in die Nacht tanzen und feiern, herrscht gähnende Leere – so sieht’s in Münchens Clubs jetzt schon seit über einem Jahr aus. Die Tanzflächen sind leer, die Tresen verwaist und die Türen geschlossen. Aber was machen die Nacht-Gastronomen eigentlich gerade, wenn sie ihrem normalen Geschäft nicht nachgehen können? Wir haben mit den Machern fünf bekannter Clubs gesprochen. Sie haben uns fünf ganz unterschiedliche und kreative Wege verraten, wie sie sich durch die Krise hangeln.

Harry Klein: Übers Netz ins Wohnzimmer

Da sprüht es nur so vor Ideen: Mit dem aktuellen Programm und den Konzepten für zukünftige Aktionen von Peter Süß (49) und Peter Fleming (53) könnte man ganze Seiten füllen. Die beiden betreiben den Club Harry Klein an der Sonnenstraße. „Vieles ist aus der Not heraus geboren“, sagt Süß. Schon seit dem ersten Lockdown organisieren sie kontinuierlich Streams aus dem Club in die Wohnzimmer ihrer Fans: DJ-Sets werden live ins Internet übertragen, auch den „Kulturdonnerstag“ haben sie ins Netz gebracht. Mit unterschiedlichen Gästen besprechen sie dabei kultur- und gesellschaftsrelevante Themen, zum Beispiel den Weltfrauentag oder die Zukunft der Club-Kultur nach einem Jahr Livestreams. Außerdem findet einmal im Monat eine Gesprächsrunde der Meat Girls statt – dabei laden die drei stadtbekannten Dragqueens zur Unterhaltung inklusive Show-Einlagen. Süß: „Natürlich gibt es auch bei uns Tiefphasen. Aber ich glaube, die Depressionsphase war bei uns nicht so ausgeprägt wie vielleicht bei anderen.“

Der Zukunft sieht er positiv entgegen. Genau wie vergangenen Sommer planen sie wieder „Haralds Kollektivgarten“ im Weißenseepark in Obergiesing: Biergarten mit Club-Sound. Und auch für die Theresienwiese hätten die Club-Betreiber schon so einige Ideen. Süß ist positiv: „Mann muss Ideen haben, was man außerhalb des Clubs noch machen kann, uns hilft da natürlich auch unser großes Netzwerk. Dann kann man das Ganze positiv anpacken!“

Strom: Spendenaktion und Zukunftsmusik

Frank Bergmeyer (55) macht sich Sorgen. „Wo soll das alles hinführen, was wird aus den Künstlern?“ Ihm gehört das Strom an der Lindwurmstraße, bekannt für seine Indie-Konzerte. Auch von unbekannteren Künstlern, gerade denen geht’s jetzt besonders dreckig. Bergmeyer fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. „An uns, an Clubs, wird einfach nicht gedacht.“ Trotzdem denkt Bergmeyer nicht ans Aufgeben. Seit vergangenem Jahr läuft fürs Strom die Spendenaktion „Soli-Fest“: Ab zehn Euro aufwärts gibt’s die Karten auf München Ticket. Wenn der Club wieder öffnet, kann man das Ticket mitbringen, „dann finden wir was, mit dem wir uns erkenntlich zeigen können!“

Bei solchen Aktionen geht es nicht nur ums Geld: Clubs müssen vor allem irgendwie präsent bleiben. „Wir müssen das Zeichen setzen, dass wir noch da sind“, betont Bergmeyer. Für die nahe Zukunft sieht er schwarz für den klassischen Club-Abend, an dem man tanzt und verschwitzt zusammen feiert. Was aber gehen kann, sind Konzerte, so Bergmeyer: Mit Personen-Obergrenze und Bestuhlung könnte man viel früher wieder aufmachen. Vielleicht heißt es dann bald auch Test-Kontrolle an der Club-Tür.

NY.Club: Große Pläne mit einer mobilen Bar

Club-Besitzer Ken Koch ist ein durch und durch positiver Mensch. Sein Motto: „Wir werden wieder tanzen!“ Er betreibt den NY.Club an der Elisenstraße. Aktuell hält er seinen Laden mit staatlichen Unterstützungsgeldern über Wasser. „Die decken erst mal die Fixkosten. Aber klar, zurzeit müssen wir alle den Gürtel deutlich enger schnallen.“ Mit Blick auf die Zukunft hat der Club einen großen Vorteil, den viele andere nicht haben: Eine Außenfläche inklusive Konzession, diese nachts am Wochenende zu bewirtschaften. Ein Plan dafür steht schon: eine mobile Bar und Sitzmöglichkeiten, die morgens dann wieder weggeräumt werden können. Er hofft also auf einen schönen Sommer: „Das kann richtig gut werden – da kommt Ibiza-Feeling auf!“

Milla: Mit Konzerten durch den Lockdown

Um die Milla in der Holzstraße wird es so schnell nicht nicht still. Vergangenen Sommer verwandelte Betreiber Till Hofmann (50) mit seinen Partnern die Fenster des Clubs zur Straße hin in einen Kiosk mit Restbeständen aus dem Getränke-Lager, Postkarten und Milla-T-Shirts. Vor allem die Shirts gingen noch schneller weg als kühle Drinks. Auch das aktuelle Krisen-Programm läuft gut: „Telemilla“. Für Streams von Konzerten und Lesungen können Fans Tickets auf der Milla-Internetseite kaufen. „Die Streams der Konzerte sind überraschend gut angenommen worden“, erzählt Hofmann. Schon ungefähr 30 Konzerte und Lesungen habe der Club veranstaltet. „Die Künstler freuen sich natürlich auch, dass sie mal wieder spielen können“, sagt Thomas Schamann (31), Programmgestalter in der Milla. Und noch ein Extra gibt‘s für das treue Publikum in dieser faden Zeit: den limitierten Milla-Sampler: Eine Schallplatte mit Liedern von Musikgruppen, die gern gesehene Gäste in der Milla sind. Kostet 19 Euro – die Hälfte der Alben ist schon verkauft.

Hofmann erzählt auch von Ideen, wie man im Sommer in der Stadt verteilt Open-Air-Veranstaltungen stattfinden lassen könnte, sogar ein kleines mehrtägiges Festival ist in Planung. Hofmann: „Insgesamt sind wir gerade auch noch auf Suche nach Locations. Man kann nur alle ermuntern, Flächen für solche Programme zur Verfügung zu stellen!“ Sie sind sicher, dass die Aktionen gut angenommen werden würden. Schamann: „Wir waren jetzt immer wieder überwältigt, was für ein nettes und treues Publikum wir haben. Die unterstützen uns bei allem, was wir machen.“ Till Hofmann meint: „Wir blicken skeptisch-optimistisch in die Zukunft.“

Sweet Club: Volles Programm gegen Covid

Alexander Spierer (46) ist Veranstalter, DJ und Betreiber des Sweet Club am Maximiliansplatz. Von Anfang an nahm er die Lage sehr ernst, schloss seinen Club sogar eine Woche bevor die Behörden die Schließungen anordneten. „Ich hatte schon vor Webasto das Gefühl, dass es schlimm werden wird. Aus Verantwortung vor den Leuten, die bei uns feiern gehen, hab’ ich den Club schnell dichtgemacht“, erzählt er.

Aber kein Grund für ihn, den Kopf in den Sand zu stecken. Spierer sprach mit Virologen, mit Ärzten und entwarf Konzepte. Seine Vision: Nicht nur den Sweet Club wieder öffnen, sondern die komplette Veranstaltungswirtschaft wiederbeleben. Ein möglicher Weg dafür sind Corona-Teststationen – im November eröffnete er die erste im benachbarten Pacha-Club am Maximiliansplatz. Seitdem hat er noch eine weitere Teststation in der Freiheizhalle aufgemacht. Und kommenden Freitag soll noch eine im Hofbräukeller am Wiener Platz eröffnet werden, verrät er exklusiv unserer Zeitung. Spierer: „Ich will dazu beitragen, wieder ein bisschen Normalität zu ermöglichen.“

Und der Sweet Club? „Wir stehen alle in engem Kontakt und freuen uns, wenn es endlich wieder weitergehen kann. Wir vermissen das Feiern, wir vermissen unsere Stammgäste!“ Viele seiner Mitarbeiter mussten sich umorientieren, um über die Runden zu kommen. Immerhin: Manche von ihnen arbeiten jetzt in einer der Teststationen, die Spierer betreibt.

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