Mit Bananenblättern, T-Shirt und Hose bekleidet steht Filip Simunovic (25) auf der Brüstung der Gerner Brücke. Er ist bereit für den Sprung – heute ist er der Wasservogel. Er lässt sich Zeit, nimmt einen Schluck Bier, die Menge johlt. Dann wedelt Simunovic mit den Blättern an den Händen wie ein Vogel, bereit zum Abheben. Ein leichter Schubs – und der Wasservogel fliegt mit einem Salto in den Nymphenburger Kanal. „Ein einmaliges Erlebnis“, sagt Simunovic, nachdem er pitschnass aus dem Wasser gestiegen ist.
Das Schauspiel, das da am Sonntag stattfindet, ist das Wasservogelfest. Ein jahrhundertealter Brauch in Neuhausen-Nymphenburg, der ursprünglich den Bauern genügend Regen bescheren sollte. Lange war die Tradition in Vergessenheit geraten, bevor sie vor 20 Jahren wiederbelebt wurde. Seitdem findet das Fest alle zwei Jahre statt.
Am Sonntag ziehen fast 20 Vereine mit rund 500 Mitgliedern und viele Schaulustige vom Rotkreuzplatz zur Gerner Brücke. Darunter Blaskapellen, eine geschmückte Kutsche – und ganz vorne Wasservogel Filip auf Pferd Caesar. Simunovic hat sich bei der FT Gern per Video beworben und ist ausgewählt worden. Früher lief die Sache noch anders: per Kirchen-Automatismus. Wer als Letzter zum Pfingstgottesdienst kam, musste den Wasservogel geben.
Man spürt die Tradition an diesem Tag – und Gemeinschaft. „Der ganze Stadtteil hilft mit – ein bisschen wie auf dem Dorf“, sagt Ingeborg Staudenmeyer (75). Die frühere Bezirksausschuss-Chefin hat die Tradition mit wiederbelebt und organisiert das Fest. König Ludwig I. hatte es vor knapp 200 Jahren verboten. Damals war es vor Schloss Nymphenburg zum Tumult gekommen. Bürger waren mit ihrem Wasservogel aufmarschiert, um dem König einen Vers vorzutragen. Doch der Moosacher Wasservogel war ihnen zuvorgekommen, der Plan der Neuhauser verraten worden. Ergebnis: eine deftige Schlägerei. Danach war das Fest untersagt. „Wir mussten Herzog Franz von Bayern um Erlaubnis bitten, um das Verbot aufheben zu lassen“, sagt Staudenmeyer. Zum Glück tat er es. „Es ist erfrischend, dass so viele Leute gemeinsam alte Traditionen hochleben lassen“, sagt Hofbräu-Chef Michael Möller, der in der Kutsche mitfährt. JULIAN LIMMER