Mein Leben steht unter einem guten Stern

von Redaktion

Bewegte Zeiten: Der frühere Mercedes-Statthalter Karl Dersch wird 90 Jahre alt

Glücklich: Mit 89 heiratete Dersch seine Nicola. © hw

Karl Dersch mit Ehefrau Barbara (†). Nach ihr hat er sein Haus benannt. © hw

Dersch (Mi.) mit seinem Freund Franz Josef Strauß bei einer Pressekonferenz und im Urlaub mit dem Geländewagen (o.).

In seiner Bibliothek in seiner Villa in Solln hat Karl Dersch eine große Auswahl an ganz unterschiedlichen Büchern.

Gespräch mit unserer Kolumnistin Maria Zsolnay bei Dersch zu Hause im Wohnzimmer. Dersch blickt auf ein bewegtes Leben zurück.

Mit diesem Geländewagen – mittlerweile ein Oldtimer – fuhr Dersch mit Franz Josef Strauß oft nach Frankreich. © Martin Hangen (6)

Der Mann trägt Prada. Schwarze Hose, weißes Hemd, schwarze Fliegerjacke. Ziemlich lässig für einen bald 90-jährigen (am 31. Januar) ehemaligen Top-Manager, der im doppelreihigen Anzug und mit Krawatte sein Leben verbracht hat. Karl Dersch war Mercedes-Statthalter in Freiburg und München, Dasa-Vorstand, Aufsichtsrat bei Messerschmitt-Bölkow-Blohm, Präsident der Deutschen und Europäischen Luft- und Raumfahrt-Industrie (siehe Infokasten) – alles klangvolle, renommierte Posten für einen Mann aus einfachen Verhältnissen im Lehel.

Doch Dersch war und ist vor allem eins: bekannt wie ein bunter Hund. Heute würde man diplomatisch Netzwerker sagen. Geschickt knüpfte er Bande zwischen Politik und Wirtschaft, die so erfolgreich waren, dass er den Umsatz der Mercedes-Niederlassung – direkt vor der Nase des Konkurrenten BMW – ums Vierfache steigerte. Dersch gewann die Menschen mit seiner schlagfertigen Art für sich, ob im Bierzelt, in der CSU-Zentrale oder auf Münchner Bällen. Der Verkauf eines Autos mit Stern lief dann quasi von allein. Wie gut er das konnte, zeigte Dersch schon Anfang der 1960er-Jahre, als er die Edelkarossen mit dem Stern reihenweise an amerikanischen Nato-Offiziere verkaufte – dafür feierten sie ihren „Friend and Ally“, ihren Freund und Verbündeten Karl, oder für alle nur: Karli.

Einer, den Karli auch schon früh mit Mercedes angefixt hatte, war Franz Josef Strauß (1915–1988). Dersch lieh ihm einen Geländewagen, einen Prototyp, der ursprünglich für den Schah von Persien gedacht war. Der autoverrückte Strauß wollte ihn partout nicht mehr hergeben. Im noch unfertigen IGA-Gelände (Internationale Garten-Ausstellung, heute Westpark) bretterte der Ministerpräsident begeistert die Hügel rauf und runter.

Mit Franz Josef Strauß verband Dersch weit mehr als nur eine nützliche Beziehung, es war eine echte Freundschaft. Beide machtbesessen, schlau, ehrgeizig und bayerisch-direkt. „Karli, hat Franz Josef zu mir am Anfang gesagt, der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist die Gerade. Und das hab ich mir gemerkt“, sagt Dersch heute. Das heißt aber nicht, dass „ich jemanden korrumpiert hätte, niemals“, so Dersch. So manchen befördern oder befördern lassen, sei da schon sinnvoller gewesen.

Dersch lernte von Strauß, und der wiederum hatte einen loyalen Freund an seiner Seite. „Ich hab Franz Josef einmal gefragt: ,Warum ich? Warum bin ich dein engster Freund?‘ Er sagte zu mir: ,Weil du nichts von mir willst.‘‘“ Abenteuerlustig fuhren sie mit dem Mercedes-Geländewagen quer durch Österreich, Italien, nach Frankreich zu Strauß‘ Ferienhaus an der Côte d‘Azur. Personenschutz lehnte Strauß ab, er wollte alleine durch unwegsames Abruzzen-Gelände poltern. „Aber er hatte zur Sicherheit eine Knarre unterm Sitz“, erinnert sich Dersch.

Die Fahrten wurden länger, immer mehr schlossen sich an, Edmund Stoiber, Wilfried Scharnagel, Valentin Argirov (Strauß‘ Leibarzt). Schon wenn er die Namen aufzählt, lächelt Dersch. „Mei, da könnte ich Geschichten erzählen …“, beginnt er. Tut er aber nicht. „Privates, gerade von Franz Josef Strauß, werd‘ ich nie erzählen. Auch wenn noch so viele mich fragen, ob ich nicht ein Buch schreiben will.“

Man kann bei Dersch auch einfach auf die Gästetoilette gehen, wo Strauß einen von Fotografien und Zeichnungen eindringlich ansieht: Strauß mit Dersch privat beim Landkarten studieren, im Auto, gemeinsam mit den Ehefrauen.

Als Marianne Strauß 1984 mit ihrem Auto tödlich verunglückte, war Dersch als Erster an Strauß‘ Seite. Dersch selbst war 51 Jahre mit seiner Barbara verheiratet, einst ein Topmodel, das die Modemagazine zierte. „Sie brachte 30 000 Mark nach Hause und ich 3000, das musst du als Mann erst mal wegstecken.“ Nach ihr benannte er sogar die gelbe Villa in Solln, und noch heute geht er jeden Morgen auf den Friedhof, an ihr Baumgrab. Natürlich, gesteht Dersch, habe es auch andere Frauen gegeben, doch nie in der Öffentlichkeit.

Heute ist er wieder ein verheirateter Mann. Im Sommer, mit 89, hat er Ja zu seiner Nicola gesagt, eine Geschäftsinhaberin aus der Modebranche, Mitte 50, die ihn und sein Haus mit all den Erinnerungen einfach so lässt. Man sehe sich zwei bis dreimal pro Woche. „Es war eine Liebes- und Vernunftentscheidung.“ Den Platz im Haus muss sich Nicola auch mit Laika teilen. Seine Hündin vergöttert Dersch: „Wir streiten uns jede Nacht ums Kopfkissen.“

Einen Artikel über Karl Dersch kann man nicht beenden, ohne dessen Karriere-Ende zu erwähnen: Die Affäre mit der kaiserlichen Reichskriegsflagge in seinem Sollner Garten, die er von einem Vorstandskollegen geschenkt bekam, kostete ihn 1992 den Posten an der Konzernspitze. Dersch war mit 57 Jahren kaltgestellt, blieb aber dennoch im Unternehmen, nur ohne Geschäftsbereich. Wie das geht? Mei, der Karli, der kann‘s halt.
MARIA ZSOLNAY

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