MÜNCHNER FREIHEIT

Warum ich Elternabende liebe – und hasse

von Redaktion

Es gibt Dinge im Leben, die gehören zum Erwachsensein wie trockene Semmeln zur Eltern-Kind-Feier: Versicherungen, Waschmaschinenentkalkung und – Elternabende. Ich hasse Elternabende. Und ich liebe sie. Aber ich hasse sie. Es beginnt meist mit einer Whatsapp-Nachricht im Klassenchat, bei der mein Auge zuckt: „Hallo zusammen, ich wollte euch nur daran erinnern, dass morgen um 19 Uhr unser Elternabend stattfindet. :-)“ Dieses freundliche Smiley ist ein passiv-aggressives Smiley, ich weiß es genau.

Ich weiß auch, was kommt: Ich werde mein Abendessen kalt essen, mich durch den Berufsverkehr fluchen, um dann auf einem zu kleinen Stuhl in einem zu warmen Klassenzimmer zu sitzen – in dem es nicht mehr nach Knete riecht, sondern nach einer Mischung aus Turnbeutel und fruchtigem Bodyspray.

Die anderen Eltern erscheinen in drei Typen: Die Überengagierten („Also ich habe schon mal ein Excel-Sheet vorbereitet“), die Mystiker („Wie können wir die Kinder auf spiritueller Ebene stärken?“), und ich. Mit neutralem Gesichtsausdruck, gepflegtem Auftritt und einer ganz klaren Strategie: Bloß nicht zur Elternsprecherin gewählt werden. Ich habe mir angewöhnt, während der Begrüßungsrunde nicht zu oft zu lächeln. Freundlich, ja – aber zu engagiert? Gefährlich. Einmal zu oft nicken – zack, Kuchenliste für den Winterbasar. Aber – und das ist der Moment der Selbstoffenbarung – ich genieße es.

Ich genieße es, zu beobachten, wie diese Mikrozivilisation funktioniert. Wie zwei Eltern sich fast wegen eines Bastelprojekts streiten, während die Lehrerin nervös auf ihren Flipchart zeigt. Wie ein Vater mit Sneakers und Brille verzweifelt auf seinem Stuhl rutscht, weil er merkt, dass er heute nicht ungesehen durchkommt. Wie jemand fragt, ob man „Kuchen auch kaufen darf“ und zehn Mütter gleichzeitig kollektiv den Kopf schütteln. (Darf man nicht. Das ist keine Frage, das ist ein moralischer Test.) Und ich liebe es, wenn der Abend langsam ausfranst, die Stimmung müde wird, und dann die Frage gestellt wird: „Gibt’s sonst noch was?“ Überraschung: Ja. Es gibt immer noch was.

Ich verlasse den Elternabend mit Notizen, die ich nie wieder lesen werde, einem schlechten Gewissen, weil ich das Geld für die Klassenkasse wieder nicht passend hatte – und einem seltsamen Gefühl von Zugehörigkeit. Ich wollte nicht dazugehören, aber am Ende sind wir alle Teil des gleichen kleinen Wahnsinns.

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