Rücktrittsforderung an Seehofer

Ursache und Wirkung

von Redaktion

Am Wahlabend frohlockte Angela Merkel, auf den Trümmern der CDU stehend, über das Erreichen ihrer „strategischen Wahlziele“. Jetzt kann sie einen weiteren Haken auf ihre Liste setzen: Sie wird auch noch den anstrengenden CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer los. Nach diesem Wochenende steht fest: In der machtvollen Doppelfunktion als Partei- und Regierungschef ist Seehofer nicht mehr lange zu halten. Die offene Feldschlacht über seine Nachfolge ist ausgebrochen.

Die glasklare Rücktrittsforderung seiner eigenen Jungen Union ist eine Wegmarke beim Abgang Seehofers, eine klare Grenzüberschreitung. Der beispiellose, von Frust getriebene JU-Beschluss macht es ihm kaum mehr möglich, gesichtswahrend eine Erbfolge einzuleiten. Dass es so weit kam, ist ein beidseitiger Fehler. Von Seehofer, dessen Absage an die JU das verheerende Signal beinhaltete, für Basisdialog leider keine Zeit zu haben. Und von seinen Kritikern, die mitten in der heiklen Berliner Regierungsbildung ihrer eigenen Partei lustvoll ins Knie schießen. Sie kreiden Seehofer ein Scheitern seiner Wahlkampf-Strategie an; leider zurecht. Aber dass er der Erste und Kräftigste war, der sich 2015 Merkels Flüchtlingspolitik – der eigentliche Grund der Wahlklatsche 2017 – entgegenstellte, scheint vergessen zu sein. An Seehofer entlädt sich nun der CSU-Frust über die Kanzlerin, die man nicht zu fassen bekommt – das ist eine tragische Vermischung von Ursache und Wirkung.

Vermutlich wird Seehofer in zwei, drei Wochen den Rückzug aus mindestens einem Amt ankündigen. Mit dem Gedanken spielt er ja seit über einem Jahr. Ein geordneter Übergang in der Zwei-Lager-CSU (Söder/alles außer Söder) wäre allerdings ein Wunder nach all dem Gewürge und Getrete, diesem ausgedehnt inszenierten Langzeit-Kreuth. Unbeschädigt kommt da übrigens keiner der Akteure raus. Und begleitet wird die CSU-Selbstdemontage von maliziösem Lächeln im Kanzleramt.

Christian Deutschländer

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