Die SPD bereichert die Lebensweisheit „Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ um eine neue Variante: Das Ende kommt schon vor dem Anfang. Noch bevor Martin Schulz das Auswärtige Amt von innen sieht, ziehen die Genossen die Notbremse und setzen dem Ichling den Stuhl vor die Tür. Wer den Riesenerfolg einer Partei bei Koalitionsverhandlungen derart auf dem Altar persönlichen Machtstrebens opfert, hat nicht Besseres verdient.
Einen ähnlichen Fall von Egomanie hatte die SPD schon einmal: „Und wo bleibe ich dabei?“, fragte Heide Simonis 2005 verzweifelt, als die SPD-Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins nicht von ihrem Stuhl weichen wollte, in vier Abstimmungen zur Wiederwahl scheiterte und schließlich doch dem CDU-Kontrahenten Platz machen musste. Das gleiche Machtdesaster erlebt jetzt Schulz. Die Posten-Jagd des einst respektierten Präsidenten des EU-Parlaments und jetzt krachend gescheiterten Spitzensozis folgte einem roten Faden: Bei Schulz ging es in erster Linie stets um Schulz. Das war schon in Brüssel so, als er 2016 die Abmachung mit EVP und Liberalen brach, wie verabredet zur Halbzeit der Legislatur den Präsidentenstuhl frei zu machen. Auch auf der Berliner Bühne kam es zum Wortbruch, diesmal gegenüber seinem „Freund“ Sigmar Gabriel, dem Außenminister und beliebtesten Politiker im Land. Das war der Schritt zu viel, die Glaubwürdigkeit ruiniert.
Schulz prahlte damit, das Europakapitel des GroKo-Vertrags fast alleine geschrieben zu haben. Da steht drin, dass Deutschland mehr Geld nach Brüssel überweisen will. Einfach so. Ohne Sparkonzept und Reformen als Vorbedingung. Für Deutschland ist Schulzes Absturz nur von Vorteil.
Alexander Weber
Sie erreichen den Autor unter
Alexander.Weber@ovb.net