Pyeongchang – Kaum bekannt in der Öffentlichkeit, schrieb Kim Yo Jong am Freitag Geschichte: Als erstes Mitglied der nordkoreanischen Kim-Dynastie seit dem Waffenstillstand von 1953 betrat die Schwester von Machthaber Kim Jong Un südkoreanisches Territorium. Sanft lächelnd traf die auf 30 Jahre geschätzte Frau im schwarzen Wintermantel am Flughafen von Incheon ein – als Teil einer hochrangigen nordkoreanischen Delegation, die anlässlich der Olympischen Winterspiele ins verfeindete Nachbarland reiste. Kim Yo Jong war der Weltöffentlichkeit lange Zeit unbekannt. Erst bei der Beerdigung ihres Vaters Kim Jong Il 2011 trat sie prominent in Erscheinung: Im Staatsfernsehen war sie mit tränenüberströmtem, aschfahlem Gesicht hinter ihrem Bruder zu sehen. Nachdem Kim Jong Un die Nachfolge des Vaters angetreten hatte, kletterte sie rasch die Karriereleiter empor – für Frauen in Nordkorea ein seltenes Privileg.
Kim Yo Jong und Kim Jong Un sind zwei von drei Kindern aus der dritten Ehe von Kim Jong Il, ihre Mutter war die frühere Tänzerin Ko Yong Hui. Inzwischen gilt Kim Yo Jong als Kronprinzessin: Der Machthaber sieht seine jüngere Schwester, die wie er selbst in der Schweiz ausgebildet wurde, zu Höherem befähigt und weist ihr immer mehr wichtige Aufgaben zu. Mit dem Besuch in Südkorea betrat Kims Schwester, die fließend Englisch und Französisch spricht, erstmals diplomatisches Parkett. Ihr Einfluss auf ihren Bruder Kim soll erheblich sein: „Sie ist eine von wenigen Menschen, die mit Machthaber Kim frei über alles sprechen können“, sagt Yang Moo Jin, Professor an der Universität für Nordkorea-Studien in Seoul. Im Staatsapparat ist Kim Yo Jong in wichtigen Gremien vertreten. Sie ist alternierendes Mitglied des Politbüros der Staatspartei und mit Propaganda-Aufgaben betraut. Der um Entspannung bemühte südkoreanische Präsident Moon Jae In schüttelte am Freitag den ranghohen nordkoreanischen Besuchern die Hand. Er sieht die Olympischen Spiele als Chance zur Annäherung.