Eine neue Regierung lebt stets auch von der Aufbruchstimmung, die sie erzeugen kann. Und von dem Vertrauensvorschuss, den die Bürger ihrer Staatsführung gewähren. Für das Kabinett Merkel IV – und für Deutschland – ist hier wenig Gutes zu erhoffen. Die Stimmung ist total im Eimer, noch bevor das neue Kabinett im Amt ist. Und der erste Minister tritt zurück, noch bevor er seinen Eid ablegen konnte. Mit letzter Kraft schleppt sich die GroKo an den Start.
Die Explosion der Unzufriedenheit verschuldet haben die Politiker selbst – und zwar nicht nur der wortbrüchige SPD-Chef Schulz, für den die Wähler zuletzt nur noch Verachtung empfanden. Auch Angela Merkel hat die Erneuerung ihrer Partei systematisch verhindert, um selbst alternativlos zu bleiben. Der Kanzlerwahlverein CDU hat das murrend akzeptiert. Das fällt ihm jetzt bleischwer auf die Füße. Ein Neuwahlrisiko wollte man nicht eingehen, zumal dann abermals kein Weg an der unpopulär gewordenen Kandidatin Merkel vorbeigeführt hätte. Damit hat sich die CDU erpressbar gemacht. Wie gelähmt muss die tief gedemütigte Partei nun ertragen, wie sie von ihrer eigenen Kanzlerin im Verein mit der SPD klein gemacht wird. So wurstig und lieblos war Merkels Umgang mit ihrer Partei, dass sie während der GroKo-Verhandlungen nicht mal einen Generalsekretär berief, der statt ihrer, die nur ihr Amt im Kopf hatte, für die CDU hätte kämpfen können.
So stecken nun beide Volksparteien in einer existenziellen Krise, die die Stabilität des gesamten politischen Systems bedroht. Ohne programmatische Erneuerung könnte die wankende Sozialdemokratie schon bald von den Grünen als neues Kraftzentrum in der politischen Linken abgelöst werden. Umgekehrt schickt sich Lindners FDP an, die Führungsrolle der nach 12 Jahren Merkelismus implodierenden Volkspartei CDU im bürgerlichen Lager anzugreifen. Schulz hat die SPD ruiniert. Merkel die CDU. Auch für sie wird es Zeit, Platz zu machen für den Neuanfang.
Georg Anastasiadis
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