samstagsKolumne

Das kann gar nicht passieren

von Redaktion

2019: Die Regierung von Angela Merkel stürzt am Ende, weil CDU und CSU in der Flüchtlingsfrage nicht zueinander finden. Die fremdenfeindliche AfD legt zu bei den Wahlen, tritt in eine neue nationalistische Regierung ein. Obwohl schon 2018 die Zahl der Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa kamen, um über 80 Prozent geringer war als 2016, ist die vorherrschende Stimmung: „Deutschland muss deutsch bleiben“. England verlässt die Europäische Union ohne irgendeine Brexit-Vereinbarung.

EU-Führer beugen sich den Anti-Immigrationsparteien und beschließen die Errichtung von großen Flüchtlingslagern an den Grenzen. Dort kommt es immer wieder zu Tumulten. Der rechte italienische Innenminister Matteo Salvini bleibt dabei, dass auf den Schiffen von Flüchtlingen viele Kriminelle und Vergewaltiger sind.

Die (falsche) Behauptung, durch Flüchtlinge würden die Gewalttaten in der EU steigen, wird verfestigt durch die Nachricht, dass ein kleines russisches Mädchen von marokkanischen Einwanderern in Wien entführt wurde. Das stellt sich am Ende als frei erfunden heraus. Aber es dient den nationalistischen Führern in Österreich, die fremdenfeindliche Stimmung in der EU weiter anzuheizen.

2020: Deutschland, Österreich, Italien, Tschechien und Ungarn machen bekannt, dass sie die Schengen-Zone verlassen, um an ihren Grenzen dauernde Kontrollen einzuführen. Die volle Freizügigkeit, ein Eckstein der EU, bricht zusammen.

Präsident Trump kommt zu einem Nato-Gipfel, der noch schlechter läuft als der letzte Gipfel der G7 in Kanada. Er tobt, weil die Vereinigten Staaten zu viel für die Nato ausgeben. Die letzten amerikanischen Truppen in Deutschland lässt er abziehen, amerikanische Soldaten nehmen nicht mehr an Nato-Übungen in Polen und in den baltischen Staaten teil.

2021: Präsident Putin spricht von „Verbrechen“ gegen die russische Minderheit in Estland und besetzt dieses kleine baltische Nato-Land. Er besteht darauf, dass das keine „Invasion“ ist, sondern dass ethnische Russen aus guten Gründen dort ihre Waffen erheben mussten. Die Nato verzichtet darauf, den Artikel 5 des Vertrages anzuwenden, der bestimmt, dass ein Angriff auf ein Nato-Mitglied als ein Angriff gegen alle Mitglieder anzusehen ist. Estland bleibt seinem Schicksal überlassen.

2022: Die Nato löst sich auf. Putin schlägt vor, sie zu ersetzen durch eine Allianz autoritärer Staaten. Der amerikanische Präsident twittert, er finde diese Idee durchaus „interessant“. Deutschland verkündet die Aufgabe des Euro und die Rückkehr zur Deutschen Mark. Die Eurozone bricht zusammen.

2023: Die Europäische Union löst sich auf. An der deutsch-französischen Grenze wird die Euroflagge eingezogen und es beginnen Arbeiten, eine mit Stacheldraht und digitaler Technik gut geschützte Grenze zu errichten. Marine Le Pen, die Führerin der Französischen Nationalen Front, twittert ihre Zustimmung. Deutschland verkündet eine strategische Allianz mit Russland. Gerhard Schröder wird deutscher Bundespräsident.

Fünf Jahre nur. Natürlich passiert es nicht. Nur ein dummer Tor könnte manchmal einen Augenblick glauben, dass es doch möglich wäre.

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Wie ich es sehe

(frei nach R. Cohen, NYT)

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