Asylkompromiss der Koalition

Lösung vertagt

von Redaktion

Mindestens die Hälfte des Landes, eher mehr, macht sich derzeit über Horst Seehofer lustig. Er hätte, sollte ihm jemand ein bisschen aus dem Internet vorlesen, wenig Freude daran. Keine Frage: Der Innenminister hat viel Anlass dafür geboten mit seinem bizarren Rücktritts-Theater. Es steht in keinem Verhältnis zum immer weiter schrumpfenden Kompromiss. Trotzdem wäre es zu billig, den Vorstoß als ganz gescheitert abzustempeln.

Ein Kern des Anliegens war, aberwitzig lang dauernde Prüfverfahren für Menschen zu verhindern, die in mehreren Ländern Schutz beantragt haben. Damit hat Seehofer schlicht Recht. Grob geschätzt, kommen heuer rund 40 000 Menschen an der Grenze an, die bereits in anderen Ländern registriert wurden. Das kann man auf Tage und auf einzelne Grenzübergänge herunterbrechen und über einstellige Zahlen spotten. Sehr lustig. Oder als Gesamtkosten aufs Jahr hochrechnen und rund eine halbe Milliarde Euro erreichen, was die Relevanz der Frage plötzlich ganz anders erscheinen lässt.

Der Koalitions-Kompromiss kann diese Zahlen ein bisschen senken, er enthält mit der Einbindung der bayerischen Schleierfahnder auch ein wichtiges Element. Hinter den Zielen der CSU bleibt er aber zurück. Das liegt auch daran, dass die Partei ihren Vorstoß strategisch schlecht angelegt hat: falscher Startpunkt, falsche Tonalität, Stimmung in der CDU missinterpretiert. Eine echte politische Asylwende ist vertagt. Seehofer mag schon die nächsten Konflikte androhen – doch mit seiner Brachial-Eskalation diesmal hat er seine Autorität geschwächt. Hoffentlich reicht die Energie noch, um die anderen 62 Punkte des „Masterplans Migration“ endlich umzusetzen.

Christian Deutschländer

Sie erreichen den Autor unter

Christian.Deutschlaender@ovb.net

Artikel 1 von 11