Berlin – Olaf Scholz hofft, dass das „Sommertheater“ nun vorbei ist. Doch der SPD-Vizekanzler weiß, dass es wohl nur ein vorläufiges Ende ist. Nach dem erbitterten Konflikt zwischen CDU und CSU mit dem Fast-Rücktritt von Horst Seehofer will die Große Koalition die Asylpolitik neu ordnen.
-Kommen nun „Transitzentren“ an der Grenze?
Es wird nichts Neues gebaut. Seehofer muss Abstriche im Vergleich zum Ursprungsplan hinnehmen. Migranten, die bereits in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben und an der deutschen Grenze zu Österreich abgefangen werden, sollen in bestehende Einrichtungen der Bundespolizei in direkter Grenznähe kommen oder in eine Unterbringung im Transitbereich des Flughafens München, heißt es im Einigungspapier. Von Transitzentren ist keine Rede mehr – da setzte sich die SPD durch. Hier rechnet man mit bis zu fünf Fällen am Tag. Aber Seehofer geht es um das generelle Signal: Mehr Kontrolle und Durchgreifen an der Grenze, damit weniger kommen.
-Wie sollen die Verfahren ablaufen?
Wie beim bestehenden Flughafenverfahren reisen die Personen rechtlich nicht nach Deutschland ein. Die Zurückweisung soll binnen 48 Stunden erfolgen. Das Verfahren soll nur an der Grenze zu Österreich zum Einsatz kommen – damit es funktioniert, müssen jedoch bilaterale Abkommen gerade mit Italien und Griechenland ausgehandelt werden, von wo die meisten Migranten kommen, die schon Asyl beantragt haben. Ohne Abkommen kann es nicht zum Tragen kommen, dann dürfen die Personen einreisen und erhalten ein reguläres Prüfverfahren.
-Welches Risiko birgt der Seehofer-Plan?
Dass Seehofer irgendwann der Kragen platzt. Denn die Krux ist, dass er selbst nun die notwendigen Abkommen mühselig aushandeln muss – auch wenn er betont, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei ebenfalls in der Pflicht.
-Wie kann der Streit eskalieren?
Seehofer kann den Plan der Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich hervorholen – und ohne Abkommen mit den europäischen Partnern im Kampf gegen illegale Migration Personen an der Grenze zurückweisen. Das könnte zum Domino-Effekt mit einer Wiedereinführung von Grenzkontrollen führen, von Österreich bis Italien, um diese Migration mit radikalen Methoden zu unterbinden.
-Wo hat Seehofer zurückgesteckt?
Ursprünglich wollte Seehofer noch deutlich mehr Menschen an der Grenze zu Österreich zurückweisen lassen. In seinem Entwurf für einen „Masterplan Migration“ heißt es noch: „Künftig ist auch die Zurückweisung von Schutzsuchenden beabsichtigt, wenn diese in einem EU-Mitgliedsstaat bereits einen Asylantrag gestellt haben oder dort als Asylsuchende registriert worden sind.“ Im nun in der Koalition vereinbarten Papier geht es nur noch um „Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedsstaat einen Asylantrag gestellt haben“. Nicht jeder Schutzsuchende, der zum Beispiel in Italien oder Griechenland registriert wird, stellt dort auch einen Asylantrag – viele werden registriert, wollen aber weiter nach Deutschland.
-Was ist mit Migranten, die über andere deutsche Grenzen kommen?
Das ist zusätzlich vereinbart worden: Diese Menschen sollen mit mobilen Grenzkontrollen und Schleierfahndungen bis zu 30 Kilometer hinter der deutschen Grenze verstärkt aufgegriffen werden. Bei ihnen soll künftig schneller geklärt werden, welcher EU-Staat für den Asylantrag zuständig ist. Nach den Dublin-Regeln ist das meist das Land, in dem Migranten zuerst den Boden der EU betreten haben. Ziel ist es, diese Verfahren künftig „in wenigen Tagen“ abzuschließen und die Menschen dann zurückzuführen. Hier geht es laut Seehofer um 46 000 Menschen im Jahr, die schon in anderen EU-Staaten registriert sind. Also um deutlich mehr als bei dem Transit-Modell in Bayern.