Rom – Mühsam bahnt sich Lothar de Maizière, auf einen Stock gestützt, seinen Weg zum Podium. Doch der 79-jährige, erste und letzte frei gewählte DDR-Ministerpräsident ist geistig hellwach. „Ich bin ja einer der letzten überlebenden Akteure der Deutschen Einheit“, scherzt er bei einem Festakt zum 30. Jahrestag des Mauerfalls in Rom. Seine damalige Pressesprecherin hieß übrigens Angela Merkel. „Sie wusste schon immer ganz genau, was sie sagte“, scherzt de Maizière. „Ein Naturtalent.“ Das habe auch Helmut Kohl frühzeitig erkannt. „Kohls Mädel“ habe dem „katholisch-konservativen Kanzlerwahlverein CDU eine säkulare und moderne Partei der Mitte gemacht“.
Mit Kohl hätten ihn politische Ziele verbunden, persönlich fand man keinen Draht. Gram sei er Kohl dennoch nie gewesen, auch wenn ihn dieser „kalt abserviert“ habe. „Kohl hat in den entscheidenden Momenten alles richtig gemacht, denn das Fenster der Gelegenheit, die Einheit zu vollziehen, war kurz“, weist de Maizière Kritik von Ökonomen zurück, die den überhasteten Zusammenschluss für die wirtschaftlichen Probleme im Osten verantwortlich machen.
De Maiziere hält davon nichts: „Ob Infrastruktur, Krankenhäuser, Verkehrswege – wer die einst von Helmut Kohl versprochenen blühenden Landschaften nicht sieht, ist blind.“ Die spektakulären Erfolge der AfD erklärt sich der CDU-Politiker mit einem stärkeren Nationalgefühl der Bürger in der ehemaligen DDR. „Die Westdeutschen haben ihre Identität in Europa gesucht und gefunden. Das gab es bei uns nicht.“ Die Menschen seien daher mehr auf nationale Interessen fixiert, etwa bei der Migration.
Den Deutschen rät er zu mehr Geduld: „Geschichte erzählt sich nicht in Jahren, sondern in Generationen. Die friedliche Revolution in der DDR und der erfolgreiche Abzug von 600 000 Soldaten der Roten Armee von deutschem Boden bleibt eine der größten historischen Leistungen, die es je gab.“ I.-M. FETH