Rom – Es war ein Abschied auf Raten. Gerade mal wenige Wochen ist die neue Regierungskoalition im Amt, da gibt es die ersten Veränderungen. Mit dem Auszug der Anhänger von Ex-Premier Matteo Renzi aus dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) ist aus dem Bündnis mit dem Movimento 5 Stelle de facto eine Dreier-Koalition geworden. „Italia Viva“ (lebendiges Italien) nennt sich die neue politische Kraft, mit der die Renzianer die Abspaltung vollziehen.
Überraschend kommt das nicht; schon länger wurde über einen Austritt Renzis und der Gründung einer neuen Partei der Mitte spekuliert. Dass das so rasch nach dem spektakulären Regierungswechsel erfolgt, hat Gründe. Die Reformer um Ex-Parteichef Renzi fühlten sich bei der Regierungsbildung an den Rand gedrängt. „Wir wollen politische Gestalter sein, nicht nur Zuschauer“, sagte er vor Auslandsjournalisten.
Die personelle Aufstellung der PD in der Regierung „Conte 2“ sei leider so geraten, dass er und die moderaten Kräfte der Partei keinerlei Einfluss mehr auf die wichtigen politischen Themen gehabt hätten. Als Beispiele nannte er besonders Europa, Haushalt, Wirtschaft und Arbeit. „Wir sind systematisch kaltgestellt worden. Dabei waren wir es, die aus Sorge um Italien die Tore für das neue Bündnis erst aufgestoßen haben“, erinnerte Renzi. „Damit haben wir den Durchmarsch Salvinis an die Macht verhindert.“ Etwaige Bitterkeit ist dem früheren Regierungschef dennoch nicht anzumerken. Er wirkt motiviert, selbstbewusst.
An seiner Seite steht Senatorin Laura Garavini, eine alte Mitstreiterin. Sie erläutert: „Unsere Ideen und Positionen wurden einfach ignoriert. Nicola Zingaretti (der neue Parteichef) hat die Partei immer mehr nach links gerückt.“ Zwar habe es innerhalb des PD schon immer starke Widerstände gegen die Modernisierer um Renzi gegeben, deshalb sei etwa das Verfassungsreferendum vor drei Jahren verloren gegangen. Jetzt aber sei ein Punkt erreicht, an dem man handeln müsse, so Garavini. „Für uns alle ist das natürlich ein Risiko, auch persönlich. Als Gruppe ohne Fraktionsstatus haben wir weniger Mittel, weniger Personal und weniger Privilegien.“
Kritiker werfen Renzi hingegen vor, aus Rache und Geltungssucht zu handeln. Auch bei den 5 Sternen ist man angesichts der Spaltung beim Koalitionspartner verunsichert. Ängste über eine neue Regierungskrise entzog der Ex-Premier jedoch den Boden: „Ich habe Giuseppe Conte versichert, dass wir keinesfalls einen Sturz der Regierung wollen. Im Gegenteil, wir wollen das Land stabilisieren und sehen uns als Mitglieder der parlamentarischen Mehrheit.“ An einem vorzeitigen Ende der Legislaturperiode habe man keinerlei strategisches Interesse.
Politisch soll „Italia Viva“ der verwaisten Mitte eine Heimat bieten. Dort sei jede Menge Platz. „Wir sind europäisch, reformistisch, werteorientiert, wirtschaftlich liberal mit starker sozialer Komponente; wir wenden uns an die Jugend genauso wie an die kleinen Leute, wir wollen den normalen Alltag der Italiener erleichtern und vom Ballast der Bürokratie befreien“, fasst Renzi die Leitlinien zusammen. Ob das nicht alles ein bisschen nach Emanuel Macron und „En Marche“ klinge, wird er gefragt. Da lächelt der Ex-Premier vielsagend, der nun immerhin wieder Parteichef ist. INGO-MICHAEL FETH