Giftpfeile nach NRW

von Redaktion

Am Donnerstag beraten Länderchefs und Kanzlerin über das weitere Vorgehen in der Krise. Ministerpräsident Söder setzt wieder zum versteckten Vorgeplänkel mit NRW-Landeschef Laschet an. Beide haben komplett unterschiedliche Zeitpläne.

VON SEBASTIAN HORSCH UND CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Markus Söder ist wieder bei Stimme. Zuletzt hatte der Ministerpräsident unter dem starken Pollenflug gelitten, klang krächzend. Nun ist davon nichts mehr zu hören. Zu seinem Glück, es gibt schließlich viel zu verkünden. Der Auftritt nach der Kabinettssitzung gestern dauert fast 80 Minuten. Gleich vier Minister im Schlepptau sollen die Details zu Schulöffnungen, Maskenpflicht und Wirtschaftshilfen erklären. Um die grundsätzliche Linie kümmert sich der Chef selbst. Seine Antworten sind gespickt mit Spitzen gegen Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet.

Erste Spitze: „Bayerische Vorsicht“ sei „besser als überstolpertes Vorgehen“, sagt Söder. Er sei für „Experimente mit der Gesundheit der Menschen in Bayern“ nicht zu haben. Wer dürfte wohl gemeint sein? Kein Ministerpräsident dringt auf so schnelle Lockerung wie Laschet.

Zweite Spitze: Söder betont, es dürfe nicht darum gehen, Einzelinteressen von Lobbygruppen nachzugeben. Laschet steht in der Kritik, weil seine Lockerungspolitik von Unternehmern unterstützt wird – einem WDR-Bericht zufolge auch finanziell.

Dritte Spitze: Erst am Sonntag hatte Laschet sich in einer Talkshow über die ständigen und widersprüchlichen Äußerungen von Virologen mokiert. Zwei Tage später lobt Söder ausdrücklich deren Arbeit. Er habe „die Diskussion um den Wert von Virologen nicht verstanden“.

Vierte Spitze: Auch seine Kommunen hatte Laschet im Fernsehen gerügt, weil sie sich zu wenig um Desinfektionsmittel für Schulen gekümmert hätten. Söder dankt Bayerns Kommunen hingegen ausführlich für ihren Einsatz.

Namentlich kommt Laschet, der CDU-Chef und wohl auch Kanzler werden will, bei Söder nicht vor. Doch die Länderchefs stehen als Antipoden in der Union für mögliche Wege aus der Krise. Laschet für beherzte Lockerungen, Söder für Vortasten.

Die Zeitpläne sind phasenverschoben. Immer ist Laschet schneller. Läden: seit 20. April offen, Bayern folgte am 27. April. Grundschulen für Viertklässler: ab 4. Mai, in Bayern nicht vor 11. Mai. Gymnasien: in NRW offen seit Ende der Osterferien, Bayern folgte jahrgangsweise erst am Montag und am 11. Mai. Kontakt zu einer Person außerhalb des Haushalts: in NRW immer erlaubt, in Bayern erst seit 20. April. Fahrschulen arbeiten in NRW weiter, in Bayern nicht. Laschet strebt auch als Erster Öffnungen bei Kindertagesstätten (6. Mai, in Bayern ist kein Zeitpunkt benannt) an. Selbst Babyfachmärkte und Möbelhäuser ließ er früher öffnen. Und sogar bei den ersten Gottesdiensten ist er mit 3. Mai einen Sonntag vor Bayern dran.

Söder, sonst nicht als personifizierte Geduld bekannt, kann sich so in jedem Detail die NRW-Erfahrungen anschauen und daraus Schlüsse ziehen, ehe er in Bayern lockert. Seine Spitzen gegen Laschet sind inhaltlich das klare Signal: Bayern wird sich kein höheres Tempo diktieren lassen, wenn am Donnerstag die 16 Länderchefs und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wieder beraten.

Dass es bei Laschet jenseits der Sachfragen auch um einen Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur geht, würde Söder natürlich bestreiten. So wie überhaupt jedwede Ambitionen aufs Kanzleramt. Seine Meinung dazu habe sich nicht geändert, wiederholt er bei seinem Auftritt in München. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hingegen tut kund, dass er Söder für den besten Mann für diesen Job hält. „Ich glaub, dass er einfach die Dinge am besten auf den Punkt bringt und am vehementesten dahinter bleibt.“ Söder wirkt darüber diesmal nicht verärgert.

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