München – Bayerns AfD hat inzwischen viel Erfahrung mit sich selbst – deshalb hat man den Zeitplan für die Listenaufstellung zur Bundestagswahl lieber gleich großzügig bemessen. Sieben Termine sind angesetzt, am Samstag geht es los. Dann treffen sich mehr als 330 Delegierte aus 63 Kreisverbänden im fränkischen Greding, um die Kandidaten aufzustellen. Die Partei erwartet harte Kämpfe.
Dass es bei den aktuell 14 bayerischen Abgeordneten in Berlin bleibt, ist angesichts mäßiger Umfragewerte eher unwahrscheinlich. Die ersten acht bis zehn Listenplätze gelten intern aber als sicheres Ticket in den Bundestag und sind entsprechend begehrt. Auf Platz eins wird Peter Boehringer kandidieren, wie Bayerns AfD-Chefin Corinna Miazga unserer Zeitung bestätigte. Der 52-Jährige ist Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Bundestag und gilt über Lagergrenzen hinweg als gut vermittelbar. Er dürfte gesetzt sein.
Gleich danach aber könnte es spannend werden. Auf Platz zwei tritt nämlich Miazga selbst an, die sich die Spitzenkandidatur aus gesundheitlichen Gründen nicht zumuten will. Die 38-Jährige kämpft gegen eine Brustkrebs-Erkrankung, meldet sich aber seit Kurzem wieder mit Youtube-Videos und im Partei-Vorstand zu Wort. Unter normalen Umständen sollte auch ihr Ticket sicher sein. Aber die Sache ist womöglich komplizierter.
Wie mehrere Quellen unserer Zeitung bestätigten, will Vize-Parteichef Hansjörg Müller Miazga auf Platz zwei angreifen. Ob er in diesem Fall Chancen hätte, ist ungewiss. Der 53-Jährige erklärte indes auf Anfrage: „Ich werde unter den ersten 6 antreten.“
Müller gilt als Vertreter des offiziell aufgelösten rechten „Flügel“-Netzwerks in der AfD und als harter Gegner Miazgas. Bis zuletzt versuchte er, den Delegiertenparteitag zu verhindern und die Liste – wie 2017 – durch die Mitglieder wählen zu lassen. Intern sorgte das für viel Unruhe. Landesschatzmeister Peter Eggen trat Mitte April zurück, aus Protest gegen den (zuvor aber einstimmig beschlossenen) Delegiertenparteitag, wie er gestern erklärte.
Hinter den Auseinandersetzungen steckt auch der Kampf um die Deutungshoheit in Bayerns AfD. Je mehr Abgeordnete eines der zerstrittenen Lager nach Berlin schickt, desto stärker ist seine Wirkung nach Bayern hinein. Seit Wochen schon sortieren sich die Reihen. Intern heißt es, eine Gruppe vergleichsweise gemäßigter AfDler habe sich organisiert und wolle ab Samstag zum Angriff übergehen. Ziel: die Vormacht des „Flügels“ brechen.
Auf Bundesebene scheint das Gegenteil der Fall. Seit gestern ist klar, dass Parteichef Tino Chrupalla und Fraktionschefin Alice Weidel die AfD als Spitzenduo in die Wahl führen. In einer Befragung stimmten satte 71 Prozent der Mitglieder für sie, nur 27 Prozent votierten für das weitegehend unbekannt Konkurrenz-Duo. Weidels Aufruf, „nach dieser innerparteilichen Wahl gemeinsam und einig in die Wahl zu ziehen“, mochte versöhnlich klingen. Er täuscht aber kaum darüber hinweg, dass nun zwei „Flügel“-Sympathisanten das Spitzenduo bilden. Das Lager um Co-Parteichef Jörg Meuthen geht geschwächt in die Wahl.
Nicht auszuschließen, dass das auf die bayerische Listenaufstellung abfärbt. Bis dahin liefert sich die AfD aber erst mal noch ein Gefecht mit dem Landratsamt Roth. Das hat einige Auflagen für das Präsenztreffen gemacht – unter anderem sollen Essen und Trinken verboten sein. Der Landesvorstand klagt dagegen beim Bayerischen Verwaltungsgericht. MARCUS MÄCKLER