Del Rio/Washington – Angesichts tausender Migranten in der US-Grenzstadt Del Rio wollen die USA die Menschen schnell und in großer Zahl außer Landes bringen. In den kommenden 24 Stunden sollten bis zu 3000 Menschen an andere Orte verlegt werden, kündigte der Leiter der US-Grenzpatrouille, Raul Ortiz, an. Von dort aus werden die meisten mit Flugzeugen in ihre Heimatländer zurückgebracht – die Mehrheit der Migranten stammt aus dem bitterarmen Karibikstaat Haiti.
Ortiz richtete eine eindeutige Botschaft an Menschen, die versuchen, über die Grenze in die USA zu kommen: „Sie werden weggebracht und in ihr Herkunftsland zurückgeschickt, wie es unser geltendes Recht vorsieht.“ In den letzten Tagen habe man etwa 3300 Personen aus der texanischen Stadt an der Grenze zu Mexiko umgesiedelt. „Wir gehen davon aus, dass diese Zahl in den kommenden Tagen noch steigen wird.“ Man arbeite mit Herkunfts- und Transitländern zusammen.
Zahlreiche Menschrechtsorganisationen kritisieren das Vorgehen der US-Regierung scharf. Die Situation an der Grenze wirft ein Schlaglicht auf die Einwanderungspolitik von US-Präsident Joe Biden. Der Demokrat wird dafür aus den eigenen Reihen sowie von Republikanern kritisiert.
Bürgermeister Lozano hatte dringend Hilfe des Bundes angefordert. Lozano sagte, die Migranten stammten überwiegend aus Haiti, kämen illegal ins Land und warteten darauf, von der US-Grenzschutzbehörde aufgegriffen zu werden. Diese sei jedoch vom großen Andrang überfordert. Auf Bildern war zu sehen, wie die Menschen durch knietiefes Wasser wateten und im Schlamm unter einer Brücke provisorische Zelte errichteten. Das US-Heimatschutzministerium kündigte derweil an, zusätzliche Transportmittel zu beschaffen, um Tempo und Kapazität von Abschiebeflügen nach Haiti zu erhöhen.
Seit Mitternacht habe es in der Region keinen Grenzübertritt mehr gegeben, sagte Grenzschützer Ortiz weiter. Der Übergang in Del Rio ist mittlerweile geschlossen, die Polizei kontrolliert die Grenze. Das Weiße Haus hat die Behörden angewiesen, mit der haitianischen und anderen Regierungen in der Region zusammenzuarbeiten, um den Menschen nach ihrer Rückkehr Hilfe zu bieten.
Der bitterarme Karibikstaat Haiti war Mitte August von einem schweren Erdbeben erschüttert worden. Mehr als 2000 Menschen kamen ums Leben. Kurz zuvor war Präsident Jovenel Moïse ermordet worden. Viele Menschen sind bereits nach dem verheerenden Erdbeben von 2010 aus dem Land nach Südamerika geflohen. Beobachter gehen davon aus, dass die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sie erneut zur Flucht getrieben haben. Doch warum eskaliert die Situation gerade jetzt?
Es habe ein Gerücht gegeben, dass die Menschen in dem Gebiet der 36 000-Einwohner-Stadt Del Rio die Grenze überqueren könnten, sagte Nicole Phillips von der Organisation Haitian Bridge Alliance dem Sender CNN. Es sei unklar, woher dieses Gerücht gekommen sei – es habe aber die Menschen an die Grenze getrieben.
Viele Menschen aus Haiti würden seit Jahren in Mexiko feststecken und versuchen, Asyl in den USA zu beantragen, sagte sie weiter. Aber die Grenze sei vor allem für Haitianer geschlossen gewesen. Haitis Interims-Premierminister Ariel Henry twitterte: „Wir sind sehr besorgt über die äußerst schwierigen Bedingungen, unter denen mehrere tausend unserer Landsleute an der US-mexikanischen Grenze leben.“