Moskau – Bei der von Manipulationsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl in Russland hat die Kremlpartei Geeintes Russland einen haushohen Sieg errungen. Zwar musste die Partei im Vergleich zur letzten Abstimmung 2016 inmitten großer Unzufriedenheit der Menschen mit der Kremlpolitik deutliche Verluste hinnehmen. Dennoch sprach ihr die Wahlkommission in Moskau einmal mehr die absolute Mehrheit zu. Zulegen konnten dagegen erwartungsgemäß die Kommunisten, die von der Stimmung im Land profitierten. Viele Menschen klagen über sinkende Löhne bei steigenden Preisen.
Nach Auszählung von mehr als 95 Prozent der Stimmen lag Geeintes Russland bei 49,6 Prozent, wie die Wahlkommission gestern mitteilte. Die Kommunisten landeten bei 19,2 Prozent, die Rechtspopulisten der LDPR des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski bei 7,5 Prozent und die Partei Gerechtes Russland bei 7,3 Prozent. Knapp über der Fünf-Prozent-Hürde lag die neue Partei Nowyje Ljudi (Deutsch: Neue Leute). Sie wäre die fünfte Partei im bisherigen Vier-Parteien-Parlament. Alle Kräfte gelten als kremlnah.
Die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstützte Partei Geeintes Russland hatte bereits am Sonntagabend, als erst wenige Stimmen ausgezählt waren, ihren Sieg gefeiert. „Putin, Putin, Putin, Putin“ und „Sieg“, rief Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin. Das Ergebnis sei eine Bestätigung des Kurses des Kremlchefs.
Für heftige Proteste sorgten die Ergebnisse der Online-Abstimmung in der Hauptstadt Moskau. „Wir erkennen die Ergebnisse der elektronischen Stimmabgabe in Moskau nicht an“, sagte der Vizechef der Kommunistischen Partei Russlands, Dmitri Nowikow. Die Ergebnisse der elektronischen Abstimmung wurden in der russischen Hauptstadt erst am Montagmittag veröffentlicht. In anderen Regionen waren sie bereits wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale am Sonntag verfügbar.
Die Wahlbeobachterorganisation Golos sprach von einem klar belegbaren Betrug. Sie forderte die Wahlkommission zur Annullierung der Ergebnisse auf. Es seien 78 000 Stimmzettel für die Online-Abstimmung mehr ausgewiesen worden als an Wahlberechtigte ausgegeben, teilte der Golos-Experte Roman Udot mit.
Es sei an einer Verlaufskurve klar erkennbar, dass gegen Ende der Abstimmung die Zahl der abgegebenen Stimmen die der registrierten deutlich übersteige. „Wenn in einer Urne ein Stimmzettel mehr liegt als rechtmäßig ausgegeben, dann werden alle Wahlzettel für ungültig erklärt. Und wie ist das, wenn es 78 000 sind?“, sagte Udot.
In Russland wird 2024 ein neuer Präsident gewählt – Kommentatoren sehen den Ausgang der Wahl als Weichenstellung für eine mögliche neue Kandidatur des 68 Jahre alten Putin.
Die Opposition wirft dem Machtapparat Manipulationen der Wahl zugunsten der Kremlpartei vor. Das Team um den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny kritisierte: „Diese Wahlen sind schmutziger als die von 2011 – viel schmutziger.“ ULF MAUDER/CHRISTIAN THIELE