WIE ICH ES SEHE

Die Pyjama-Revolution

von Redaktion

Die Chefs von Firmen und Behörden stehen heute oft vor leeren Schreibtischen. Während der Pandemie hat sich das Arbeiten von zu Hause eingebürgert, neudeutsch Homeoffice genannt. Und wie es der Zufall will, sind Freitag und Montag bevorzugte Homeoffice-Tage.

Die veränderte Bürowelt mit ein bis zwei Homeoffice-Tagen hat aber Vorteile, wie den Wegfall von langen Transportwegen zum Arbeitsplatz. Die Mehrheit der zu Hause Arbeitenden glaubt daher, eher mehr als weniger leisten zu können, wenn die Arbeit von dort aus erbracht werden kann.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die zentralen Büros ganz aufgegeben werden könnten. Um Ideen zu entwickeln, Neues auf den Weg zu bringen, was immer wieder notwendig ist, brauchen wir das direkte persönliche Gespräch mit Kollegen wie Diskussionsrunden mit den Vorgesetzten aller Ebenen. An Büros aber, die nicht mehr fünf Tage lang voll besetzt sind, werden wir uns auf Dauer gewöhnen müssen.

Geeignete Mitarbeiter sind zudem immer schwieriger zu finden. Das gibt ihnen Verhandlungsmacht, mit der sie, wo es passt, Homeoffice-Tage vertraglich durchsetzen können. So ist es völlig unnötig, dass der Gesetzgeber über einen „Anspruch“ auf Homeoffice nachdenkt.

In der Gastronomie, im Einzelhandel wie im Handwerk und bei der gesamten ärztlichen Versorgung aber gibt es Arbeit, die sich eben nicht von zu Hause aus erledigen lässt. In diesen Bereichen wird es noch schwieriger, Nachwuchskräfte zu finden, wenn die Büroarbeit dank Homeoffice immer attraktiver wird. Restaurants müssen mangels Personal heute schon zusätzliche Ruhetage einlegen. Sogar meine Apotheke, mitten in der Stadt zentral gelegen, bleibt wegen Personalmangels einige Stunden am Tag geschlossen.

Was würde wohl passieren, wenn die vielen Selbstständigen in unserem Land, die den ganzen Dienstleistungsbetrieb aufrechterhalten, sich von ihrer in vielen Fällen doch sogar sechstägigen präsenten Arbeitszeit verabschieden würden? Grund genug dazu hätten sie, weil eine misstrauische Bürokratie ihnen immer mehr Vorschriften in den Weg legt, die beim Betrieb des kleinsten Gewerbes heute zu beachten sind. Unternehmer verlieren ihre Gestaltungsfreiheit, in den Behörden wagt niemand mehr etwas zu entscheiden, weil alle Themen künstlich komplex gemacht werden. Chefs sind gezwungen, Stunden am Schreibtisch zu verbringen mit allen möglichen unproduktiven Registrierungen und Nachweisen.

In Berlin zerbrechen sich bei den Koalitionsverhandlungen Parteipolitiker den Kopf darüber, wie es möglich sein soll, ohne Steuererhöhungen zusätzliche Ausgaben von geschätzten 100 Milliarden pro Jahr zu stemmen für notwendige Klimamaßnahmen. Sie könnten dieses Puzzle leicht lösen, wenn sie, statt neue Gesetze und Verordnungen zu planen, darangehen würden, bestehende Vorschriften ersatzlos aufzuheben. Sie haben sich im falsch verstandenen Verbraucherschutz wie Mehltau über unser Land gelegt.

So ein Befreiungsschlag würde das gesamte Land in einen echten Aufschwung führen. Mit den dabei sprudelnden Steuern ließe sich manches andere auch für den Klimaschutz leicht finanzieren. Die Gefahr, dass frustrierte Behördenchefs und Unternehmer den Pyjama anziehen, wäre gebannt.

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VON DIRK IPPEN

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